Wolfsinstinkt
schließlich. „Ich bin jetzt siebenunddreißig und war ungefähr sechzehn, als ich erfahren habe, dass ich ein Wolf bin. Ich kannte meine Eltern nicht und deswegen konnte es mir niemand sagen. Wenn sie es überhaupt gewusst haben.“
„Heißt das, dass dieses Wolfsgen vererblich ist?“, fragte Ricky hastig nach. Er war froh, dass sie endlich etwas reden konnten.
Tala aß langsam weiter und nickte. „Ja. In den meisten Fällen zumindest. Es kommt aber auch vor, dass zwei Menschen einen Wolf zur Welt bringen. Meistens zeigt der sich erst viel später – manchmal gar nicht.“
Ricky spürte, dass Tala fast gelangweilt von diesem Thema war, doch er konnte sich nicht helfen. Er wollte mehr darüber erfahren. Und damit mehr über Tala selbst.
„Wie hast du erfahren, dass du ein Wolf bist?“ Ricky konnte seine Neugier kaum zügeln. Talas Gegenwart stachelte seine Fantasie in jedem Bereich an, und so stellte er sich unwillkürlich vor, wie Tala als jungem Mann eine b uschige Wolfsrute aus dem Steißbein wuchs.
„Meine Eltern waren wahrscheinlich Touristen oder so was, aber ich wurde von Indianern großgezogen, auch wenn ich nie erfahren habe, wie ich zu ihnen kam, weil ich zu klein war, als das passierte. Hier in der Gegend sind sie vertraut mit den Wandlern“, erklärte Tala mit einem genervt klingenden Seufzen. „Ein Schamane hat mich wie seinen Sohn angenommen und angeleitet, als er merkte, dass ich ein Wolf bin. Seitdem wechsle ich die Gestalten, wie es gerade notwendig ist.“
„Was war das für eine Verletzung, die du hattest, als ich dich gefunden habe?“
Tala verzog unwillig das Gesicht und Ricky spürte instinktiv, dass er eigentlich nicht darüber reden wollte.
„Es gibt in der Umgebung einen weiteren Wolf“, erzählte er zögernd. „Normalerweise sind wir Wandler weit genug voneinander entfernt, um uns nicht in die Quere zu geraten – oder wir schließen uns zusammen. Dieser Wolf macht mir mein Revier streitig. Als du mich gefunden hast, hatte ich gerade einen Kampf mit ihm hinter mir.“
Der Art der Verletzungen nach zu urteilen war das ein Kampf auf Leben und Tod gewesen. Ricky hoffte inständig, dass Tala den anderen Wolf erledigt hatte. Sonst würde er nicht aufhören können, sich Sorgen um ihn zu machen.
„Hast du ... Hast du ihn getötet?“
„Nein. Fremde Jäger haben uns gestört. Er verletzte mich und machte sich schleunigst aus dem Staub.“
Das war genau das, was Ricky befürchtet hatte. Der fremde Wolf war nach wie vor da draußen und wartete wahrscheinlich auf die nächstbeste Gelegenheit, Tala wieder anzugreifen. Verdammt! Ab sofort würde sich jede Minute qualvoll in die Länge ziehen, wenn Tala nicht bei ihm war und er nicht wusste, ob es ihm gut ging. Das hatte er nun von seiner Neugier!
„Und was ist mit mir?“, fragte Ricky schließlich, hauptsächlich um das Thema zu wechseln.
„Was meinst du? Was soll mit dir sein?“ Tala hatte die Brote inzwischen vollständig aufgegessen und stellte den leeren Teller neben sich auf den Fußboden. Er lehnte sich etwas zurück, schlug die Beine übereinander und stützte sich nach hinten auf den Unterarmen ab.
„Na ja, als du die Wochen über hier warst und ich dich aufgepäppelt habe, da habe ich erwartet, dass du einfach verschwindest und nach Hause zurückkehrst“, sagte Ricky. Er versuchte, bei Talas Anblick nicht gleich wieder durchzudrehen und nicht ständig auf das Stück nackte Haut zu starren, das sich unter dem Pelzmantel zeigte und wo eigentlich seiner Ansicht nach ein Hemd hätte sein müssen. „Stattdessen bist du zurückgekommen. Als Mensch und hast ...“
Tala grinste breit, als Ricky den Satz offen ließ.
„... dich gefickt. Ja“, sagte Tala. Er neigte den Kopf leicht zur Seite und fuhr sich auf diese eigenartige Art und Weise mit der Zunge über die Lippen.
Ricky drehte den Kopf weg und wurde rot. „Ja. Wieso bist du zurückgekommen?“
Tala schwieg eine ganze Weile. Erst als Ricky den Blick hob und zu ihm sah, begann er zu sprechen.
„Weil ich dir viel zu verdanken habe und weil ich Gefallen an dir gefunden habe“, sagte er. „Ich habe es dir letzte Nacht schon gesagt: Ich will dich, Ricky!“
Mit einem Mal war die Hitze da und breitete sich in Rickys Körper aus wie ein Lauffeuer in einem ausgetrockneten Wald. Seine Atmung setzte kurz aus und ging flacher als zuvor weiter.
„Warum?“, fragte er. Talas Augen hielten ihn in ihrem Bann.
„Instinkt“, sagte Tala und setzte sich auf. Nun
Weitere Kostenlose Bücher