Wolfsinstinkt
nichtsdestotrotz war sie da.
„Und diese Menschen im Dorf sind nicht die Einzigen, die dich brauchen, Tala. Was, glaubst du, wird aus mir, wenn ich aus dieser Höhle spaziere und du nicht auf mich aufpasst?“
Wilder Zorn flackerte in Talas Gesicht auf und leises Knurren verließ seine Kehle.
„Du hast recht“, sagte er und nickte knapp. „Wir müssen ins Dorf und ihnen erklären, was passiert ist.“
„Was?“ Ricky starrte Tala fassungslos an. Das hatte er eigentlich nicht bezwecken wollen.
„Und dann werden wir Nashoba finden und ich werde ihn umbringen für das, was er meinem Dorf angetan hat.“
„Halt. Nein, nein. Nicht so hastig, Tala. Wir –“
„Ich werde ihn in Fetzen reißen, diesen verdammten Mistkerl, und ihm das Fell über die Ohren ziehen wie einem Kaninchen. Ihn ausweiden wie ...“
Mit der flachen Hand verpasste Ricky seinem Liebsten eine Ohrfeige, dass es laut knallte. Gleich darauf tat es ihm leid, und das nicht nur, weil ihm die Handfläche jetzt wahrscheinlich schlimmer brannte als Tala die Wange.
Talas Hand schoss in die Höhe. Ricky riss die Augen auf. Das Blut sackte ihm bis in die Füße, doch Tala schlug nicht zurück. In letzter Sekunde riss er die Hand zurück, ohne einen zwiebelnden Schmerz auf Rickys Wange zu hinterlassen. Erleichtert atmete Ricky wieder aus.
„Entschuldige, Tala. Aber du redest dich da gerade in etwas rein. Du bist verletzt. Wir sollten erst mal zurück zu deinem Vater gehen. Außerdem muss Gras über die Sache im Dorf wachsen, sonst erschießen sie dich, wenn du dem Dorf zu nahe kommst.“
Vor allem die letzten Worte sorgten dafür, dass Tala schwieg und trotzig die Stirn in Falten legte. Ricky war klar, dass Tala nie damit gerechnet hatte, ausgerechnet von seinen Schützlingen angeschossen zu werden. Das hatte Nashoba ja perfekt kalkuliert. Selbst in Ricky wütete Zorn und Hass auf den weißen Wolf, der ihnen das Leben nicht schwer, sondern im Moment sogar unmöglich machte.
„Ich brauche den Bären“, murmelte Tala in genau diesem Augenblick und Ricky schaute ihn an, als befürchtete er, dass seinem Partner mehr als nur ein paar Kratzer von dieser Begegnung mit den Menschen des Dorfes geblieben war.
„Was?“, fragte er nach. „Du brauchst ...?“
„Den Bären!“, entgegnete Tala laut und deutlich und beäugte nun seinerseits Ricky, als müsste der wissen, von was er sprach.
Natürlich war Ricky der Bär aufgefallen, der hin und wieder um ihr Haus gestreift war, wenn Tala nicht daheim war. Aber das große schwarze Tier war ihm oder der Hütte nie so nahe gekommen, dass Ricky sich von ihm bedroht gefühlt hätte, weswegen er nie etwas zu Tala darüber gesagt hatte.
„Aha“, nuschelte Ricky resigniert. Er hatte das ungute Gefühl, irgendetwas Wichtiges zu vergessen oder einfach nicht zu begreifen. Ein nagendes Gefühl, das er zugegebenermaßen schon eine ganze Weile nicht mehr gehabt hatte. Worüber er eigentlich sehr froh war. Doch nun kam es mit voller Wucht zurück, und Ricky hasste es.
„Also“, begann er langsam, „gehen wir jetzt zurück zu deinem Vater?“
Tala nickte zustimmend, und Ricky fiel ein Stein vom Herzen. Blieb zu hoffen, dass sie unterwegs nicht von den Jägern oder Nashoba angegriffen wurden . Er schob sich vorsichtig zum Ausgang der Höhle und lauschte. Ricky konnte weder etwas hören noch sehen, und als er Tala anschaute, nickte der ermutigend .
Als Mensch schaffte Tala es, zumindest einigermaßen selbstständig zu laufen. Zwar stützte er sich schwer auf Ricky ab, musste aber nicht getragen werden. Ricky erwischte sich bei einer morbiden Dankbarkeit dafür, dass Tala am Vorderlauf verletzt worden war und nicht an den Hinterbeinen. Das hätte ein Problem werden können. Die Strecke war auch so schwer genug zurückzulegen. Ricky brach der Schweiß aus allen Poren und das Atmen fiel ihm zunehmend schwerer. Tala, der ihn offenbar nicht mehr ganz so belasten wollte, versuchte sein Gewicht weniger auf ihm abzuladen, wodurch sie allerdings nur sehr langsam vorankamen.
„Warte.“ Ricky stützte sich schnaufend an einem Baum ab. Trotz des Frühlings warf sein heißer Atem dünne Wölkchen. „Ich brauch eine Pause.“
In der nächsten Sekunde bereute Ricky seine Worte, denn direkt vor ihnen brach ein gewaltiger schwarzer Bär durch das Gestrüpp und hielt auf sie zu.
„Verdammt, runte r !“, rief Ricky.
Aber Tala hielt ihn fest. „Nein, warte. Er wird uns nichts tun.“
Und tatsächlich: Der Bär wurde
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