Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfsinstinkt

Wolfsinstinkt

Titel: Wolfsinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Seidel
Vom Netzwerk:
Tonbecher vor die Lippen. „Trink das!“
    Tala schnaubte laut und verzog angewidert das Gesicht. „Muss das sein?“
    „Würde ich es dir sonst geben?“
    Ricky lächelte über den väterlich-bestimmenden Ton, den Matoskah gegenüber Tala anschlug. Tala griff nach dem Becher und trank den Inhalt mit einem großen Schluck aus. Angewidert schüttelte er sich, an seiner Miene konnte Ricky erkennen, dass Matoskahs Medizin sicher grauenhaft schmeckte. Er hatte sich nach seinem ersten Drink ebenso geschüttelt, fiel ihm unzusammenhängend ein. Ein Glas Hochprozentiges, so grausam es vielleicht auch schmecken mochte, wäre nach dem eben Erlebten haargenau das, was er jetzt brauchen könnte. Ricky biss die Zähne zusammen und verdrängte die bösen Gedanken mit eisernem Willen in den hintersten Winkel seines Denkens. Aus alter Gewohnheit rieb er sich mit dem Handrücken über den Mund, wie er es früher immer vor einer Sauftour getan hatte. Nein, ein Ausrutscher reichte und war peinlich genug; trotzdem trieb die Gier ihre bösartigen Klauen in ihn wie ein hinterhältiges Tier.
    Um sich abzulenken, hob er den Kopf und starrte aus dem Fenster zum Waldrand. Er blinzelte überrascht, als er dort zwischen den ersten Bäumen einen großen schwarzen Wolf sitzen sah, dessen Fell wild in alle Richtungen abstand. Es kam ihm vor, als würde das Tier ihn intensiv fixieren. Eine kurze Weile bestand direkter Blickkontakt, dann blinzelte Ricky – und der Wolf war verschwunden.
    „Was war das?“, fragte er den alten Schamanen leise und meinte dabei die Medizin, die Matoskah Tala eingeflößt hatte. Von seiner Vision, denn nur um eine solche konnte es sich handeln, sagte er lieber nichts. Matoskah lächelte geheimnisvoll.
    „Ein Aufguss aus verschiedenen Kräutern, Rinden und Beeren“, erwiderte er. „Es wird Tala die Schmerzen nehmen und die Heilung beschleunigen.“
    Ricky konnte sich nicht helfen: Die Art, wie Matoskah das sagte, ließ vermuten, dass das noch nicht alles war.
    Neugierig behielt Ricky seinen Liebsten im Auge. Doch auch seine Neugier und seine Sorge um Tala konnten nicht verhindern, dass er das Getuschel von draußen wahrnahm. Offenbar war er die reinste Attraktion hier, immer wieder hörte er wie sein Name fiel. Hoffentlich hing das nicht nur mit seinem Ausrutscher beim Begrüßungsfest zusammen …
    „Viele haben darauf gewartet, dass Tala endlich jemanden findet. Die Mädchen haben sich alle sehr lange Hoffnungen gemacht“, erklärte Matoskah und lachte. Anscheinend war Rickys Gesicht für den Schamanen ein offenes Buch. „Mir war ziemlich schnell klar, dass wir auf Nachwuchs von ihm wohl lange warten können.“
    „Vater“, brummte Tala leise und zog Ricky etwas dichter an sich. „Bitte keine Familiengeschichten, in Ordnung?“
    „Wieso nicht? Das interessiert deinen Freund sicher ungemein.“
    Ricky lachte leise und sah entschuldigend zu Tala auf. „Tut mir leid, Tala. Er hat vollkommen recht. Es interessiert mich wirklich.“
    Matoskah lächelte vergnügt und räumte seine Kräuter wieder zusammen. „Siehst du? Sicher weißt du schon, dass Tala hier bei uns aufgewachsen ist. Und dir ist bestimmt auch aufgefallen, dass wir nicht viele Frauen hier im Dorf haben.“
    Ricky spitzte die Ohren.
    „Aus irgendeinem Grund werden hauptsächlich Männer in unseren Stamm geboren. Deswegen hielt sich die Begeisterung auch in Grenzen, als ich Tala, einen weiteren Jungen, bei uns aufnahm. Als ich aber schließlich verkünden durfte, dass Tala ein Wächter ist, waren alle ganz stolz und begierig. Besonders die Frauen! Wächternachwuchs ist eine besondere Ehre, zudem sagt man den Wächtern nach, sehr potent zu sein. Hinzu kommt, dass Tala ein sehr gut aussehender Mann ist. Die Frauen des Stammes waren ganz begierig darauf, ihre Töchter in seine Obhut zu geben und die Männer …“
    „Vater!“, fuhr Tala dazwischen. Der Schamane gluckste und winkte ab.
    „Jedenfalls änderte sich so die Einstellung des ganzen Stammes. Ein Wächter und ein schöner, starker Mann“, sagte er und nickte stolz in Talas Richtung.
    Ricky runzelte die Stirn. Das klang ihm doch alles sehr weit hergeholt.
    „Aber wenn das so eine Ehre ist, warum ist Tala dann bei euch aufgewachsen? Was ist mit seiner eigenen Familie und dem Dorf, aus dem er eigentlich stammt?“, fragte er schließlich und lugte zu seinem Geliebten hinüber.
    Tala senkte betreten den Blick. „Ich kenne meine Familie nicht, Ricky. Ich weiß nicht, wo ich herkomme. Ich

Weitere Kostenlose Bücher