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Wolfsinstinkt

Wolfsinstinkt

Titel: Wolfsinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Seidel
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auf, doch der Schamane packte ihn am Handgelenk, noch bevor Tala aus dem Blockhaus stürmen konnte. „Ich hätte es hören müssen! Ich hätte es spüren müssen. Wir sind nicht so weit entfernt! Ich war einfach zu abgelenkt.“
    Ricky fühlte sich vollkommen überfordert. Er saß nur da und wusste nicht, was er sagen oder tun sollte. Tala war wegen ihm abgelenkt gewesen. Langsam richtete er sich auf und griff nach Talas anderer Hand. In diesem Moment waren seine Kopfschmerzen vollkommen vergessen und unwichtig.
    „Geht es ihnen gut? Wurde jemand verletzt?“
    Der Schamane seufzte schwer. Mit einem Mal wirkte er so alt, wie er wohl auch war. Bedrückt und bekümmert – schwach.
    „Ja. Eine junge Frau wurde getötet. Mehr kann ich euch nicht sagen. Mehr gab mir diese Vision nicht preis.“
    Ricky konnte spüren, wie jeder Muskel in Tala sich anspannte und die Wut in ihm anschwoll wie eine wilde Bestie. Er schien sogar an Größe zu gewinnen und auf einmal die ganze Hütte auszufüllen.
    „Nashoba!“, knurrte er hasserfüllt. „Dafür wirst du sterben!“
    Ricky zuckte bei diesem Tonfall zusammen, er zog den Kopf zwischen die Schultern. Tala hatte ihm nie zuvor Angst gemacht, weder in seiner menschlichen noch in seiner Wolfsgestalt – nun war es soweit.
    „Tala!“, flüsterte er beschwichtigend und legte ihm vorsichtig eine bebende Hand auf den Arm. „Es bringt ni–“
    „Glaubst du, ich lasse von ihm mein Dorf angreifen? Ungestraft?“, schnitt Tala ihm das Wort ab.
    Bevor Ricky etwas erwidern konnte, stürzte Tala nach vorn, verwandelte sich in den Sekundenbruchteilen des Falls und raste als riesiger Wolf aus der Hütte. Zu schnell für Ricky, der erst einmal gar nicht begriff, was überhaupt passiert war.
    Hilf- und ratlos sah er Matosk ah an, der seinem Blick mit hochgezogenen Augenbrauen begegnete, als wartete er auf eine Reak tion von Ricky.
    „Was ...?“, setzte Ricky an.
    „Lauf ihm nach. Er braucht dich“, sagte Matoskah ernst.
    Ricky nickte knapp und verließ die Hütte. Eigentlich hatte er gar keine Ahnung, in welche Richtung er sich halten sollte. Auf dem Hinweg hatte er sich mit Tala unterhalten und nicht auf den Weg geachtet – zumal der Wald an dieser Stelle so dicht war, dass man sich nicht einmal an den Bergen am Horizont orientieren konnte, um in etwa eine Himmelsrichtung zu haben.
    „Vertraue deinem Instinkt!“ Matoskah war unbemerkt neben Ricky aufgetaucht und raunte ihm aufmunternd zu. „Du findest dich auch ohne ihn zurecht.“
    Ricky schluckte, atmete einmal tief durch und lief los, scheinbar ziellos in den Wald hinein. Mit jedem Schritt, den er machte, wurde er sicherer und schneller, bis er schließlich über den federnden Boden rannte und mit großen Sprüngen über Äste und andere niedrige Hindernisse sprang.
    Lange hielt er das Tempo allerdings nicht durch, nach einer Weile verfiel er in eine Art gemächliches Joggen, mit dem er gut vorankam, das aber nicht so kräfteraubend, wie sein Spurt zuvor war.
    Es dauerte lange, fast eine Stunde, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, bis er die ersten Geräusche hörte, die nicht typisch für den Wald waren: entferntes Winseln und Aufjaulen, kurz darauf ein Schuss.
    Sämtliche Haare sträubten sich ihm bei diesen Lauten, und er beschleunigte seine Schritte. Nach weiteren zehn Minuten kam ihm ein Wolf entgegen – das goldschimmernde Fell dreckig und blutverschmiert, auf einer Pfote humpelnd. Zuerst stockte Ricky, weil er sich nicht ganz sicher war, ob er wirklich Tala vor sich hatte. Als der Wolf ihn fixierte, waren alle Zweifel beseitigt: die warmen braunen Augen, die er so liebte, blickten ihn verletzt und gebrochen an.
    „Tala!“ Ricky machte einen letzten Satz und sank vor dem Wolf auf die Knie. Fast augenblicklich brach Tala in seinem Schoß zusammen, den großen Wolfskopf schräg nach oben gegen seinen Körper gelegt, traurig blinzelnd.
    Ricky spürte heiße Tränen auf seinem eigenen Gesicht. Tränen aus Trauer und Zorn gleichermaßen. Sanft streichelte er den Wolf und versuchte alle Verletzungen zu finden. Keine von denen wirkte, als hätte Nashoba sie verursacht. Ricky fand keine einzige Bisswunde.
    Das Gegröle wurde lauter, und Ricky hob den Kopf. Er brauchte nicht lange, um zu erkennen, was hier vor sich ging. Den Schuss und Matoskahs Worte musste er nur zusammenreimen.
    „Ein weißer Wolf, getarnt ...“, flüsterte er. Zwischen den Bäumen konnte er schon die ersten Gestalten erkennen.
    „Schhht! Ganz ruhig,

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