Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder
verschieden, wie zwei Personen aus demselben Land und mit demselben Alter nur sein konnten, und doch gab es an Tora etwas, in dem Teresa sich selbst wiedererkennen konnte. Trotz ihrer Verschiedenheit war sie selbst es gewesen, die vor dem bedrohlichen Publikum gestanden hatte, vor der arroganten Jury. Die eine Mauer um ihr Herz hatte und es gleichzeitig blutend in ihren Händen hielt. Der stumme Schrei, die Panik im Stillstand.
Man kann nicht sagen, warum man etwas oder jemanden liebt. Man kann Gründe erfinden, wenn es nötig ist, aber das Wichtige geschieht im Dunkeln und außerhalb unserer Kontrolle. Man weiß es einfach, wenn es da ist. Und wenn es sich wieder entfernt.
Es wäre vielleicht richtig zu sagen, dass Teresa trauerte, so wie man einen Freund betrauern kann, der ins Ausland gezogen ist oder noch weiter weg, auf die andere Seite. Sie würde Tora Larsson niemals wiedersehen, dieses berauschende Wiedererkennen nicht mehr erleben, dass es dort eine Filiale ihrer eigenen Seele gab. Diesem Blick nicht mehr begegnen.
Obwohl Teresa öfter einsam war, kam es eher selten vor, dass sie sich einsam fühlte. An diesem Wochenende ging es ihr so. Eine Leere war entstanden, die ihr wie ein weißer Schatten folgte, wohin sie auch ging. Planlos streifte sie durch den Garten und hörte Bright Eyes, saß eine Weile zusammengekauert in der Steinhöhle, die ihr und Johannes’ geheimer Ort gewesen war.
I want a lover I don’t have to love, I want a boy who’s so drunk he doesn’t talk …
Sie blieb eine Weile vor Johannes’ altem Haus stehen und betrachtete es. Auf dem Grundstück war ein Gerüst mit zwei Schaukeln aufgebaut worden, und buntes Plastikspielzeug lag auf dem Rasen herum. Ein paar Bäume waren gefällt worden. Bright Eyes sang krächzend in ihren Ohren, und sie spürte, wie ihr alles immer weiter entglitt. Als wäre sie vierzehn Jahre alt und alles längst zu spät.
Aus einem Impuls heraus durchwühlte sie ihren Kleiderschrank. Ab jetzt würde sie nur noch farbenfrohe Sachen tragen! Ständig lief sie in Schwarz, Weiß, Grau herum. Jetzt suchte sie nach Hosen, Blusen, T-Shirts oder Strickjacken in anderen Farben. Ab heute würde sie wie ein Regenbogen aussehen!
Sie gab auf, als sich die einzigen ihrer neuen Laune entsprechenden Kleidungsstücke, die sie fand, entweder als zu kurz oder zu eng für ihre verdammten fetten Schenkel und ihren runden Bauch herausstellten. Am Ende griff sie sich eine gelbe Zipfelmütze, zog sie sich auf den Kopf und legte sich bäuchlings auf das Bett, um Kristian Lundbergs letztes Buch zu lesen, Hiob .
Ich träumte von ihr. Sie stand an meinem
Bett, hellgrau wie Asche und flüsterte in mein
Ohr – »Fürchte dich nicht, fürchte nicht!«
Die Leere, die die ganze Zeit neben ihr herschwebte, machte sie rastlos und unkonzentriert. Sie presste die Handflächen gegen ihre Ohren und murmelte: »Niemand mag mich, niemand will mich haben, nur weil ich Würmer esse …« immer und immer wieder, bis sie zu schwitzen begann und sich widerlich in ihrer Zipfelmütze fand. Da ging sie in die Küche und aß ein paar Butterbrote.
So verging das Wochenende.
In der Schule passierte nichts Besonderes, nirgendwo passierte irgendetwas Besonderes. Johannes und Agnes hatten sich identische Halsbänder besorgt, blaue Steine, die bei einem Indianerstamm Glück bedeuteten oder irgend so was. Sie fragten Teresa, ob sie am nächsten Wochenende mit auf ein Konzert kommen wolle, ein paar lokale Bands, aber Teresa lehnte dankend ab. Sie konnte nicht anders, sie mochte die beiden einfach, aber sie hielt es nicht aus, länger mit ihnen zusammen zu sein. Sie waren schlicht und einfach zu glücklich.
Eines Nachmittags, als Teresa sich auf ihr Fahrrad setzte, um nach Hause zu fahren, hörte sie, wie Jenny zu Caroline sagte, dass es supereklig aussehe, wenn fette Leute Fahrrad fuhren, wenn der Sattel im Hintern verschwand, schlimmster Analsex. Teresa weinte erst eine Weile, während sie nach Hause strampelte, bevor sie dazu überging, sich auszumalen, wie Jenny mit einer glühenden Eisenstange vergewaltigt wurde.
Am Abend saß sie vor ihrem Computer und überlegte, ob sie bei Lunarstorm ein paar Trollköder auswerfen sollte, aber irgendwie schien das Trollen seinen Reiz verloren zu haben, nachdem sie ganz echt für Tora gehasst und gekämpft hatte. Stattdessen ging sie in das Diskussionsforum über Wölfe. Ein paar Sichtungen in Värmland, jemand, dem ein Huhn weggefressen worden war (was auch ein
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