Wolfskrieger: Roman (German Edition)
von ihrem Bruder gehört. Geh doch hin und frag selbst, wenn du es nicht glaubst.«
»Wenn du lügst, ziehe ich dich zur Rechenschaft«, drohte Vali. Dann rannte er los. Er wusste, dass Drengi um Adislas Hand angehalten hatte, allerdings hatte sie ihn abgewiesen. Drengi war ein guter Mann, stark und fleißig, doch er hieß Halbtroll, weil er hässlich war und nicht viel redete. Adisla konnte doch niemals einwilligen, ihn zu heiraten. Oder doch?
Er rannte zu Disas Haus. Adisla war nicht da, nur die Mutter saß draußen in der Sonne und zermahlte Eicheln mit einem großen Stein.
»Ist es wahr?«
Er sah es in ihren Augen.
»Warum?«
Disa unterbrach ihre Arbeit.
»Du bekleidest einen viel höheren Rang, Vali, und du bist einer Prinzessin versprochen. Mein Mädchen ist schon seit drei Jahren im heiratsfähigen Alter. Es wird Zeit, dass sie es nun auch tut.«
»Ich liebe sie, Mutter. Kann sie das denn so einfach vergessen? «
Disa tippte mit dem Mahlstein auf den Rand der Holzschale.
»Sie hat noch nicht eingewilligt, aber ich glaube, sie wird es tun.«
»Erlaube es nicht. Sorge dafür, dass sie ihn abweist.«
Sie schürzte die Lippen. »Welches Leben hätte sie denn als deine Konkubine vor sich, Vali? Heiraten kannst du sie nicht, also wird sie nicht mehr als das werden. Was, wenn du ihrer überdrüssig wirst?«
»Ich werde ihrer nicht überdrüssig.«
»Bestimmt nicht? Gabelbart wechselt jede Jahreszeit seine Konkubinen.«
»Ich bin nicht Gabelbart«, entgegnete er giftig.
Vali hätte gern noch mehr gesagt und Disa überzeugt, doch er war viel zu schockiert. Mit Adisla hatte er nie darüber gesprochen, sondern immer angenommen, er müsste eben Gabelbarts Tochter heiraten, wenn ihre Stämme dies verlangten. Dann würde er einen Sohn zeugen und danach nie wieder etwas mit ihr zu tun haben. Anschließend konnte er Adisla zu sich nehmen, auch wenn sie nicht alle Rechte einer Gemahlin haben würde. Sobald Adisla aber mit einem anderen Mann verheiratet wäre, würde es viel schwieriger. Dann würden Speere geschüttelt, Blut würde fließen, Blutfehden ausbrechen.
Vali sah sich nach Adislas Brüdern um. Vielleicht konnten sie mit Disa reden. Doch auch sie waren nicht da – sie waren mit Gabelbarts Vorhut aufgebrochen, um ein Treffen der Könige vor dem Mittsommer vorzubereiten.
»Ich werde das nicht zulassen«, sagte Vali zu Disa.
»Es ist aber das Beste. Du liebst sie jetzt, aber wirst du ihr die Sicherheit einer Gemahlin geben, wenn sie alt ist? Wirst du …«
Er wartete nicht, bis sie ausgesprochen hatte. Gabelbarts Halle befand sich ein ganzes Stück landeinwärts, doch er traf im Nu dort ein. Der König schlichtete gerade einen Streit zwischen zwei Bauern, als Vali hereinplatzte. Die Bauern erkannten ihn und zogen sich zu einer Seite des Raumes zurück.
Ein anderer Mann, der weiter unten in der Halle saß, stand auf, als Vali hereinkam. Er war groß, jung und von kräftiger Statur. Seine Kleidung war außergewöhnlich. Er trug ein leuchtend weißes Seidenhemd, wie Vali es sonst nur beim Händler Veles Libor gesehen hatte. Vali glaubte, ihn zu kennen, konnte ihn aber nicht einordnen. Er näherte sich dem König und verneigte sich. Gabelbart – ein Mann von der Sorte, die den Eindruck erweckt, eher breit als groß zu sein – schlürfte gerade einen Teller Suppe und beförderte den größten Teil davon in seinen Bart. Er war ein harter Mann, der sich den Königsthron erkämpft hatte. An seinem Hof gab es keine Intrigen und Debatten. Wenn man Recht bekommen wollte, musste man den Widersacher besiegen oder unter den Tisch trinken, möglichst sogar beides.
»Falls du gekommen bist, um mir schon wieder einen hübschen Plan darüber zu unterbreiten, wie wir Schlachten gewinnen können, ohne zu kämpfen, dann muss ich dir, mein Prinz, leider mitteilen, dass du dir den Atem sparen kannst. Wenn ein Mann in den Krieg zieht, sollte er nur an den Feind vor ihm und den Freund an seiner Seite denken und sich nicht mit Plänen belasten. Die Gegner überfallen und kämpfen oder bleiben, wo man ist, so halten wir es hier. Nimm es hin, wie es ist, oder vergiss es, und belästige mich nie wieder damit. Darüber haben wir nun wirklich oft genug gesprochen, nicht wahr, meine Burschen? «
Zwei Leibwächter nickten und stimmten zu. Vali war Gabelbart schon einige Male mit seinen Vorschlägen auf die Nerven gegangen, dass man durch gute Planung viel leichter siegen konnte als mit einem ungestümen Angriff. Gabelbart hatte
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