Wolfskrieger: Roman (German Edition)
den Preis der Sklaven, die er durch Bodvar Bjarkis Brutalität verloren hatte, hätte er zehn Stück Vieh kaufen können. Ganz zu schweigen davon, wie viele andere ihnen entwischt waren, weil die Berserker sich nicht die Mühe gemacht hatten, die Insel zu umstellen.
Ein weiterer Grund für seine Weigerung war die Tatsache, dass er glaubte, sein Volk könne von den Westmännern viel lernen. Einer ihrer Priester – die Männer mit den geschorenen Köpfen – hatte Eikund besucht, als Vali fünfzehn Jahre alt gewesen war. Zu Valis großer Enttäuschung hatte Gabelbart dem Mann verboten, seine Geschichten zu erzählen. Als er seine Schriften gezeigt und erklärt hatte, wie nützlich sie für die Verwaltung des Königreichs wären, hatte Gabelbart sie vor seinen Augen zerrissen und ihm gesagt, er solle verschwinden, wenn ihm sein Leben lieb sei. Das ganze Dorf hatte darüber gesprochen. Später hatte Vali erfahren, dass der Mann ein Anhänger der kannibalischen Christen gewesen war, die Menschenfleisch aßen und Blut tranken.
Der Hauptgrund aber, sich dem Kriegsgeschehen fernzuhalten, war der Wunsch – er wagte kaum, es sich selbst einzugestehen – , als schwertfeige zu gelten. Er baute darauf, dass Gabelbart seine Tochter keinesfalls einem ängstlichen Mann zur Frau geben würde. Dann wäre Vali frei und könnte Adisla heiraten. Bisher hatte der König sich allerdings geweigert, ihn aus dem Ehegelöbnis zu entlassen. Außerdem hatte Vali einen Händler bewegen können, seinem Vater eine Botschaft zu übermitteln. Er hatte rundheraus gesagt, er würde das Mädchen nicht heiraten, aber keine Antwort bekommen. Vali fasste dies als Zurechtweisung auf und kam sich dumm vor. Wenn er wollte, konnte sein Vater ihn zwingen. Seine Proteste und Einwände waren bedeutungslos.
Er musste sich damit abfinden, dass er ein Prinz war, aber bis er tatsächlich genötigt wurde, Ragna zu heiraten, konnte er sich dem Traum hingeben, er sei ein Bauer – ein freier Mann, wie man sie nannte. Er gab Adislas kleinem Bruder Manni sein Sax und ließ sich auf das Üben mit Bragi nur ein, damit der alte Mann nicht seine Selbstachtung verlor. Ohne sinnvolle Aufgabe wäre Bragi verwittert wie eine welke Blume. Aus Dankbarkeit für die Freundlichkeit, die Bragi ihm auf dem Raubzug erwiesen hatte, gab er sich sogar Mühe. Wenn er mit dem Stab, der als Übungsschwert diente, auf Bragis Schild eindrosch, ließ er die ganze Empörung darüber heraus, dass er Adisla nicht heiraten durfte.
Den Rest der Zeit half er Adisla und ihrer Mutter auf dem Hof, arbeitete mit ihren Brüdern bei den Herden und plauderte am Abend mit Barth. Nur auf Raubzüge wollte er nicht mehr gehen. Das erforderte seinen ganzen Mut. Er wusste, dass die Götter keinen so hassten wie einen Feigling, und nur das Wissen, dass er es aus den richtigen Gründen tat, half ihm, die Verstellung aufrechtzuerhalten.
Der König beschimpfte Vali nicht offen als Feigling, doch in seiner Leibwache waren viele, die das Wort murmelten, wenn der Prinz vorbeikam. Ageirr war einer von ihnen. Vali hätte die Beleidigungen lieber hingenommen, denn sie halfen ihm auf dem Weg, auf dem er ohnehin voranschreiten wollte, doch das lag ihm nicht, und so explodierte er jedes Mal.
»Was hast du da gesagt?«
»Nichts, Prinz. Überhaupt nichts.«
Vali hatte es genau gehört, bedrängte Ageirr aber nicht weiter, denn sonst hätte er den Mann möglicherweise zum Zweikampf fordern müssen. Auch Ageirr war nicht scharf darauf. Er wollte sich einen Spaß machen und Vali verspotten, es aber nicht zum offenen Streit kommen lassen. Vali war immer noch Authuns Sohn und daher für König Gabelbart wertvoll. Die Strafe, wenn jemand den Prinzen tötete, sei es in einem rechtmäßigen Kampf oder nicht, wäre streng. Außerdem hatte Ageirr beobachtet, wie der Prinz auf Bragis Helm eingedroschen hatte, und brannte nicht darauf herauszufinden, was er mit einem Schwert in der Hand anstellen würde.
Vali grunzte und wandte sich ab.
»Freust du dich schon auf die Hochzeit? Dann wird es wohl endlich mal wieder ein Fest geben.« Es klang, als sei Ageirr sehr erfreut.
»Was für eine Hochzeit?«
»Adisla, die Schlampe aus den Gehöften auf dem Hügel, wird Drengi Halbtroll aus dem Nachbartal heiraten. Was für ein Paar!«
Vali war wie vor den Kopf geschlagen und vergaß sogar die Beleidigung Adisla gegenüber.
»Das kann doch nicht sein«, widersprach er.
»Ich fürchte schon«, erwiderte Ageirr. »Ich hab’s heute Morgen
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