Wolfskrieger: Roman (German Edition)
Als kleines Kind hatte Bragi ihn geschlagen, weil er über Loki gelacht hatte, der nicht um Baldur hatte trauern wollen. Dadurch war Baldur verdammt worden, nach dem Tod ewig in der Unterwelt zu bleiben.
»Wenn du den bösen Kerl so gern hast, möchtest du vielleicht seine Qualen mit ihm teilen. Sie haben ihn für seine Untaten an einen Felsen gekettet. Soll ich dich auch anketten?«, hatte Bragi gesagt.
Disa hatte Vali beruhigt und getröstet. »Man darf nicht über alles lachen, was komisch ist. Oder wenigstens nicht zu laut.«
Er fragte sich, wie es Disa jetzt ging, und konnte nicht glauben, dass er nicht geblieben war, um ihr zu helfen. Hoffentlich war sie wohlauf. War das Ritual der Mühe wert gewesen? Sofort vergaß er die Frage wieder, weil er den Drang verspürte, hinter sich nach Norden zu blicken. In diese Richtung war er gewandert, und dorthin musste er gehen. Um jeden Preis. Doch zuerst musste er die Täuschung bewerkstelligen und dafür sorgen, dass die Männer ihm vertrauten.
»Wie habt ihr mich hier gefunden?«, wollte Vali von Orri wissen.
Orri lachte. »Im Sommer gibt es nur eine Straße nach Norden, die aber kaum benutzt wird, da die Händler lieber mit Schiffen fahren. Im Winter, wenn die Flüsse überfroren sind, führen hundert gute Wege in den Norden, und deine Wolfsmänner sind viel schwerer zu finden. Im Sommer gibt es nur eine einzige Möglichkeit für einen Hinterhalt, außerdem sind nur wenige Reisende unterwegs. Du hättest mehr Schwierigkeiten, ihnen auszuweichen, als ihnen zu begegnen.«
»Wenn die Wolfsmänner so leicht zu finden sind, frage ich mich, warum König Authun sie nicht schon längst geschnappt hat«, sagte Vali.
Hogni winkte ab. »Der König hat ganz andere Sorgen.«
Vali sagte nichts weiter dazu. Ihm war klar, dass der Sommer die beste Zeit war, um die Wolfsmänner zu fangen. Die Rentiere standen genau wie alle anderen Tiere gut im Futter und kräftig und waren daher schwer zu erlegen. Es war schwierig, ohne Speere und Schlingen zu jagen, wie es die Wolfsmänner angeblich taten. Außerdem war bekannt, dass sie den Reisenden besonders im Sommer zusetzten, und das war einer der Gründe dafür, dass sie so lange unbehelligt geblieben waren. Bei gutem Wetter fuhr der König mit dem Boot. Nur die Armen, die Dummen und die Gesetzlosen litten unter den Angriffen.
Plötzlich überwältigte ihn die Übelkeit, als wäre die Kröte, die er sich in seinem Hals vorgestellt hatte, noch am Leben und strampelte, um herauszukommen. Er legte den Knochen weg, an dem er genagt hatte, und hatte alle Mühe, sich nicht zu übergeben. Es gelang ihm nur mit knapper Not.
»Du bist so bleich, Herr. Sagt dir unser Mahl nicht zu?«, fragte Orri.
Vali riss sich zusammen. »Wir werden jetzt in meine Heimat aufbrechen«, verkündete er.
»Wir haben noch nicht geschlafen, Herr.«
»Ich schon«, entgegnete Vali. »Wir brechen sofort auf.«
Die beiden Männer beklagten sich nicht, sondern standen auf und legten den Pferden das Zaumzeug an. Unterdessen kämpfte Vali die aufsteigende Übelkeit nieder und stellte ihnen viele Fragen über seine Heimat. Traf es zu, dass sein Vater Wölfe als Haustiere hielt? Genau genommen wusste er ja, dass dies nicht der Wahrheit entsprach, und dennoch… Kamen immer noch Reisende aus dem Osten nach Horda? Waren die Mädchen in Horda immer noch so hübsch wie früher?
»Es geht das Gerücht, du hättest nur Augen für das Bauernmädchen, Herr.«
Vali überwand sich und stieß ein Lachen aus. Er hatte die Unterhaltung in die gewünschte Richtung gelenkt.
»Sie ist ein nützlicher Teil meiner Strategie, was Gabelbart angeht. Je schwächer meine Leidenschaft für seine Tochter, desto größer wird ihre Mitgift ausfallen.«
»Du bist ein schlauer Mann, Herr«, sagte Hogni lachend. »Man sagt, im Norden gebe es keinen, der es beim Hnefatafl mit dir aufnehmen könnte.«
»Auch im Süden kann mich keiner schlagen«, prahlte Vali, der genau wusste, dass diese Männer Aufschneider mochten. »Bringt mir mein Pferd.«
Hogni lieferte dem Prinzen widerspruchslos sein Reittier aus.
Vali blickte zu Orri, der sich gerade in den Sattel schwang. Der schlanke Mann war leicht bekleidet und trug keine Rüstung, nur den Speer und den Helm. Ob er ihm mit einem fremden und möglicherweise unzuverlässigen Pferd entkommen konnte? Wahrscheinlich nicht.
Vali wandte sich an den Krieger. »Dieses Tier stinkt. Gib mir deins, Orri.«
Orri warf dem Prinzen einen seltsamen Blick zu.
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