Wolfskrieger: Roman (German Edition)
dringend verschwinden, doch es war nicht nur der Wunsch, Adisla zu retten, der ihn antrieb. Beinahe wäre er blindlings nach Norden gerannt. Er stand ganz sicher unter irgendeinem Bann.
»Zu trinken brauche ich nichts, mir reicht das Pferd hier«, sagte Vali.
»Immer mit der Ruhe, Prinz. Ich habe gute Neuigkeiten für dich. Dein Vater will gar nicht, dass du die Wolfsmänner tötest.«
»In Gabelbarts Halle hast du etwas ganz anderes von dir gegeben.«
»Richtig, aber was man in der Halle vorträgt, entspricht nicht immer dem, was draußen passiert.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Es war eine List.«
»Nenne es doch beim richtigen Namen. Es war eine Lüge. Es ist nicht Sache eines Mannes, zu lügen.« In Valis Kopf drehte sich alles. Der Wunsch zu gehen war überwältigend.
»Ich habe eine Botschaft überbracht, die nicht von deinem Vater, sondern von deiner Mutter, von Königin Yrsa stammte. In der Tat, es war nichts Männliches, denn es kam von einer Frau.«
Vali nahm sich zusammen und erwiderte Hognis Blick. »Seit wann kümmert sich meine Mutter um die Angelegenheiten meines Vaters?«
»Schon seit vier Jahren«, erwiderte Hogni. Er trat von einem Fuß auf den anderen und sprach leise weiter, als hätte er Angst, das Gras könnte ihn hören und das Geheimnis aus dem Tal tragen. »Dein Vater ist krank.«
»Was für eine Krankheit ist es?« Valis Herz tat einen Sprung. Sollte er nun das Königreich erben? In diesem Fall konnte er die Männer einfach zu Gabelbart zurückschicken und ihm ausrichten, er solle Adisla augenblicklich freilassen, weil sonst die Langschiffe der Horda noch vor dem Winter hier auftauchen würden.
Hogni antwortete nicht.
»Wird er sterben?« Er hatte immer noch den starken Geschmack der Kräuter auf der Zunge und einen heftigen Juckreiz in der Kehle.
»Sterben wird er wohl so bald nicht.«
Vali ahnte, was sich hinter der knappen Entgegnung des Mannes verbarg.
»Wahnsinn?«
Wieder keine Antwort. Also war es der Wahnsinn. Vali hatte schon Gerüchte darüber gehört, die er aber nicht ernst genommen hatte – einfach nur Geschichten, die man sich in Rogaland erzählte, um sich neben dem kriegerischen Nachbarn etwas ruhiger zu fühlen. Solche Dinge hörte man über jeden König, falls man sich die Mühe machte, sich eingehend zu erkundigen.
Vali dachte einen Augenblick nach. »Was wird nun von mir erwartet? Was verlangt meine Mutter von mir?«
»Du sollst einfach an den Hof zurückkehren und nach Hause kommen.«
»Sie hätte doch nur nach mir schicken müssen.«
»Auf diese Weise erregen wir keinen Verdacht«, widersprach Hogni.
»Was für einen Verdacht?«
»Gewisse Dinge sind im Gange, die zu erörtern ich nicht das Recht habe. Es ist die Sache der Königin, mit dir zu sprechen. Eine halbe Tagesreise im Westen wartet ein Schiff, mit dem wir dich nach Hause bringen.«
Vali nickte. Er wollte immer noch das Pferd bekommen, wusste aber, dass es jetzt nur noch durch eine List möglich war.
»Gut«, sagte er. »Ich komme gerne mit. Jetzt lasst mich an eurem Feuer sitzen und etwas trinken.«
Er ging hinüber, setzte sich und nahm gern die Reste des gebratenen Hasen und das schwere Brot an, das die Männer ihm anboten. Immer noch war ihm schrecklich übel, doch er überwand sich, etwas zu essen und sich das »Dankeschön« zu verkneifen, das Disa ihm eingebläut hatte. Dankbarkeit zeigte man unter Bauern. Ein Prinz tat so etwas nicht. Eines Tages würde er diese Männer beherrschen, und er wusste genau, dass ein König solche Gaben als sein gutes Recht betrachtete.
Als sie aßen, fand er die Gewohnheiten und das Verhalten der Männer etwas seltsam, denn er war unter den Rygir aufgewachsen. Auch die Art und Weise, wie Hogni und Orri sprachen, kam ihm seltsam vor. So war ihm etwa bekannt, dass die Horda einen Kochtopf als Garkessel bezeichneten, doch er fand es seltsam, wenn der Gegenstand tatsächlich so genannt wurde, denn er hatte sich an den anderen Namen gewöhnt. Als die Männer aufgegessen hatten, nahmen sie eine Prise Salz, spuckten aus und warfen die Krümel auf den Boden. »Für Lokis Augen.«
Auch das kam ihm seltsam vor. Unter allen Göttern war Loki seiner Ansicht nach der interessanteste. Er war der verschlagene Gott, der die anderen zum Narren hielt. Vali hörte gern die Geschichten über seine Ränke. Er hielt es sogar für lustig, dass Loki den schönen Gott Baldur anscheinend einfach nur deshalb getötet hatte, weil ihn dessen Vollkommenheit geärgert hatte.
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