Wolfskrieger: Roman (German Edition)
habe, ihr räudigen Hühner. Sagt eurem Herrn, dass ich es ihm heimzahlen werde, wenn ich nicht bekomme, was ich will. Er soll seinen Speer bereithalten, denn wenn er mir trotzt, werden die letzten Tage der Götter heute beginnen.« Er klopfte auf sein Schwert.
Die Raben flogen davon, zogen niedrig über die Häuser hinweg und flatterten zu den Hügeln wie saumselige kleine Fetzen der Nacht, die vor dem Tag flohen.
»Scht-scht!«, machte Adisla und zog den Kopf ein. »Wenn das nun seine Spione waren?« Sie lachte, doch Vali erkannte, dass sie wirklich besorgt war.
Er lächelte. »Wir wollen hoffen, dass sie es waren«, erwiderte er, »denn er soll ja meine Botschaft bekommen.«
Vali war nicht sicher, ob der erste Schlag seine Brust oder seinen Rücken traf. Jedenfalls war er so fest, dass es ihn fast gegen Adisla warf. Er drehte sich um und sah Bragi. Der alte Mann breitete die Arme aus und strahlte ihn an.
»Du hast es geschafft, Bursche, du hast es geschafft. Ich habe keinen Moment daran gezweifelt. Wie hättest du nach meiner Ausbildung auch scheitern können? Du hast es geschafft.«
»Danke, Bragi«, sagte Vali. »Ohne dich wäre es mir wirklich nicht gelungen.«
Der alte Mann tanzte beinahe vor Freude.
»Lass mich mal das alte Mädchen sehen.« Er zog das Schwert aus Valis Scheide. »Ich möchte wetten, dass du damit eine Menge Wolfsblut vergossen hast, meinst du nicht auch, junge Dame?«
Vali sah Adisla an. Sie verkörperte das Schicksal, das er sich ersehnte – ein Heim, einen Herd und die Liebe –, und es würde ihn im Stich lassen. Dann betrachtete er Bragi, der für die Zukunft stand, die ihm auferlegt war, und begriff, dass es sinnlos wäre, sich zu widersetzen.
»Ich habe drei von ihnen getötet«, erklärte Vali. »Zwei davon mittels des raffinierten Schlags mit dem Heft, den du mir eingebläut hast.«
»Guter Junge, guter Junge! Mehr Met, bringt Met!«, rief Bragi. »Hier steht der König, habe ich’s nicht gesagt? Er ist der König!«
17
Eine seltsame Begegnung
V ali blieb in der Halle und ertränkte die Gefühle, die von ihm Besitz ergriffen hatten, im Alkohol. Adisla nahm nicht an der Feier teil. Sie hatte gesagt, was es zu sagen gab, und wollte ihm durch ihre Gegenwart keine weiteren Qualen bereiten.
Im Kreis der Männer ließ Vali sich in der Halle nieder und feierte seinen Erfolg. Es war eine Versammlung von alten Kriegern, jungen Kerlen und ein paar unglücklichen Jarlen, die zurückgeblieben waren, als Gabelbart nach Osten gesegelt war. Mit jedem Schluck nahmen seine Trunkenheit und seine Trübsal zu. Irgendwann – er wusste nicht einmal, wie es dazu gekommen war – kämpfte er gegen jemanden. Sein Gegner war noch stärker berauscht als er selbst und brach bald unter seinen Faustschlägen auf dem Boden zusammen. Dann sah Vali nur noch Bragis rotes Gesicht vor sich, der brüllte und rief, was für einen mächtigen Mann er aufgezogen habe. Der Jubel der anderen dröhnte ihm in den Ohren. Er konnte nicht mehr trinken und kroch unter eine Bank, wo er schlief, der Körper ruhelos, der Geist wie tot.
Adisla aber schlief nicht. Sie kehrte zu ihrer Mutter zurück und sagte, sie werde Drengis Antrag annehmen. Disa, die nach ihren Verbrennungen das Bett hüten musste, zog die Tochter an sich.
»Bist du sicher? Willst du wirklich deinem Prinzen den Rücken kehren?«
»Es ist das Schicksal, das für mich gewoben ist. Ich wünsche so sehr, ihn zu heiraten, wie sich das Ufer wünscht, das Meer zu sein.«
Disa drückte ihr schluchzendes Mädchen an sich.
»Nur zu«, sagte Adisla. »Ich will es rasch hinter mich bringen. « Disa ließ sie los und schickte Manni zu den Bauern in den Hügeln.
In dieser Nacht fand Adisla keine Ruhe. Allerdings waren es nicht die Strahlen der Mitternachtssonne, die sie wach hielten, sondern ihre Gedanken. Ihr Bett hätte aus Brennnesseln sein können, so wenig war ihr nach Schlafen zumute. Schließlich stand sie auf und ging zum Meer hinunter. Die Nacht war so tief, wie sie es im Mittsommer überhaupt werden konnte. Ein bleiches, verwaschenes Licht wie kurz vor der Dämmerung, aber keine echte Dunkelheit. An der Halle blieb sie stehen, als sie drinnen das trunkene Gelächter hörte. Es war schon spät, doch die Männer machten keine Anstalten, ihr Trinkgelage zu beenden.
Adisla war nicht in der Stimmung, sich an dem Vergnügen zu beteiligen, auch wenn sie eigentlich den besten Grund hatte zu feiern. Ihr war elend, obwohl sie das Richtige getan hatte.
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