Wolfskrieger: Roman (German Edition)
hatte. Einmal am Tag hatte er ihm ein wenig zu trinken gegeben, ohne ihm jedoch den Beutel vom Kopf zu nehmen, aber nichts zu essen. Dies sollte ihn schwächen, damit er nicht so leicht weglaufen konnte, falls es ihm gelang, sich von den Fesseln zu befreien. Fast war Vali geneigt gewesen, ihn einfach verhungern zu lassen, doch schließlich hatte er sich auf die Aussicht gefreut, als Held dazustehen. Es mochte eine Lüge sein, doch dies würde ihm die Achtung seiner Gefährten einbringen und ihm das Leben leichter machen. Eine Woche bevor sie das Dorf erreichten, hatte Vali begonnen, den Wolfsmann zu füttern. Er hatte ihm mehr Wasser gegeben und ihn aufrecht auf das Pferd gesetzt. Der Gefangene sollte grimmig aussehen, wenn sie eintrafen, denn das würde Valis Ruhm vergrößern.
Alle waren sich einig, dass Vali etwas Außerordentliches vollbracht hatte. Man hatte angenommen, er werde mindestens zwei Monate unterwegs sein, und Adisla würde bald gehenkt. Er war in weniger als einem Monat zurückgekehrt, und sie war frei.
Adisla war nicht in der Halle. Da Gabelbart mit den Edelleuten und dem ganzen Hofstaat nach Nidarnes gezogen war, hatte niemand mehr große Lust gehabt, sie einzusperren und zu bewachen. Sie hatte sich ihr Leben lang nie weiter als einen Tagesmarsch von ihrem Gehöft entfernt, also würde sie kaum weglaufen, dachten ihre Wächter. Ihre Angewohnheit, am Abend misstönend zu singen, hatte ihren Teil dazu beigetragen, dass die Männer sie zu ihrer Mutter nach Hause geschickt hatten.
Als Vali die Pferde festband, nahmen Hogni und Orri ihn jedoch aufgeregt zur Seite.
»Prinz Vali, Prinz Vali, ich muss mit dir reden«, sagte Hogni.
»Ihr habt mir nichts zu sagen«, erwiderte er. »Eure Tiere sind wohlbehalten wieder hier, und ihr könnt sie jetzt zurücknehmen. «
Hogni sprach so leise wie möglich. »Du schwebst in großer Gefahr.«
»Seid ihr meine Vasallen?«
»Ja, Herr.«
»Dann verhaltet euch auch so. Holt mir meinen Met und schweigt.«
»Herr, wir müssen mit dir sprechen.«
Hogni fasste ihn am Arm. Vali funkelte ihn an. »Du wagst es, deinen Prinzen anzufassen?«
»Du musst sofort weggehen. Jetzt gleich«, drängte Hogni.
»Warum?«
»Der Ort ist verflucht. Ein Unglück wird diese Menschen treffen.«
»Was für ein Unglück?«
»Wir haben nur Gerüchte gehört, Herr. Manche sagen, es werde eine Seuche sein, andere behaupten, die Dänen würden kommen. Deine Mutter will jedenfalls, dass du zum nächsten Vollmond nicht mehr hier bist.«
»Morgen«, erwiderte Vali lächelnd. »Meine Mutter kann warten. Ihr habt die Wahl: Bleibt hier und nehmt das Schicksal auf euch, das so oder so kommen wird, was es auch sein mag. Oder kehrt zu meinem Vater zurück und zappelt im Totentanz, falls er überhaupt so viel Geduld hat, euch aufzuhängen. Meiner Ansicht nach werdet ihr eher hier als dort überleben.«
Hogni und Orri richteten sich trotzig auf.
»Wir sind Krieger und haben keine Angst vor dem Tod.«
»Dann beweist es. Bleibt bis zum Vollmond, und dann begleite ich euch zum Hof meines Vaters. Wegtreten.«
Die Horda-Männer entfernten sich und waren über Valis verändertes Verhalten ebenso verblüfft wie über seine Weigerung, sofort aufzubrechen. Er war nicht mehr der verträumte Weichling, den sie vorher in ihm gesehen hatten, sondern benahm sich jetzt gerade so, wie man es von einem Sohn Authuns, des Weißen Wolfs, erwarten konnte.
Vali blickte ihnen nach. Die Rygir bereiteten ein Fest vor. Jemand drückte ihm ein Horn voll Met in die Hand, und er trank es aus. Irgendetwas war im Gange, so viel war sicher, doch seine Mutter hätte nie aufgrund bloßer Gerüchte eingegriffen. Was war die wahrscheinlichste Möglichkeit? Eine Seuche? Dagegen konnte man nichts tun. Seine Mutter hätte sich der Visionen einer Hexe bedienen können, doch Yrsa verabscheute die Magie. Was noch? Er ging es praktisch an. In der Halle spielten Flöten. Der Skalde Jokull sang bereits ein Lied über ihn. Das Einzige, was ihm einfallen wollte, war ein Überfall. In diesem Fall würde er bleiben und die Menschen verteidigen, die ihn aufgezogen hatten.
Vali blickte zum kleinen Hafen hinunter, der bis auf ein paar Fischerboote leer war. Gabelbart hatte seine drei Drachenboote mitgenommen, und die Knorre waren auf Handelsmissionen unterwegs. Wie es schien, hatte er sich einen ungünstigen Augenblick ausgesucht, um seinen Ruhm zu mehren.
Er zog den Wolfsmann vom Pferd herunter und band ihn vor Gabelbarts Halle an eine
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