Wolfskrieger: Roman (German Edition)
Birke. Mit lauter Stimme erklärte er den Mann zu seinem Gefangenen und warnte alle, ihn ja nicht anzurühren, bis Gabelbart ihn gesehen hatte. Wieder bot ihm jemand Met an. Dann war Adisla da. Sie kam den Hügel heruntergerannt und rief seinen Namen. Sie lachte und hüpfte fast vor Freude. Vali konnte nicht anders, auch er musste lachen. Es war das Lachen eines Mannes, der sich bückt, um sein Schuhwerk zuzuschnüren, und einen Stein am Kopf vorbeisausen hört.
Sie stürzte sich auf ihn und umarmte ihn, und er küsste sie, als sie ihn drückte.
»Ich muss zugeben, ich habe nicht daran geglaubt, dass du zurückkommst«, sagte sie.
»Da sind wir uns sehr ähnlich«, erwiderte er. »Ich auch nicht.«
Sie lachte wieder, doch als er genau hinsah, erkannte er, dass sie weinte.
»Wie hast du das überhaupt geschafft?«
»Das weiß ich selbst nicht. Ich werde abwarten und mir anhören, was die Skalden sich ausdenken. Vielleicht werde ich behaupten, dass ich ihn zu drei Wettkämpfen herausgefordert habe: essen, trinken und kämpfen. Dabei habe ich ihn so betrunken gemacht, dass ich ihn fesseln konnte. Was sagst du dazu?«
»Sie werden wohl verbreiten, du hättest ihn im Kampf besiegt.«
»Na ja, das sollen sie meinetwegen tun«, meinte Vali. »Wer weiß, vielleicht habe ich das ja wirklich getan. Für dich hätte ich ein Dutzend Wolfsmänner bekämpft.«
»Nur ein Dutzend?«, fragte Adisla.
»Es muss eine Grenze geben«, sagte Vali, »und für mich liegt die Grenze bei einem Dutzend. Einer mehr, und du wärst allein.«
Die Scherze und Neckereien klangen wie immer zwischen ihnen, doch jetzt bekamen sie eine neue Bedeutung und einen größeren Nachdruck. Vali war sich sicher, dass es für ihn nur einen Weg und eine Zukunft mit diesem Mädchen an seiner Seite geben würde. Seit ihrer ersten Begegnung hatte er ihr sagen wollen, was er für sie empfand, doch keiner von ihnen hatte es bisher über die Lippen gebracht.
»Ich liebe dich.«
Sie erwiderte seinen Blick. »Ja.«
»Du sagst nicht, dass du mich liebst.«
»Weil das Gefühl so stark ist. Wenn ich es ausspreche, könnte ich es nicht mehr verleugnen.«
Sie bekam kaum den Satz heraus, sie stammelte, schluchzte und legte eine Hand vor das Gesicht, um die Tränen zu verbergen.
»Willst du es denn verleugnen?«
Sie schwieg und wandte das Gesicht ab.
»Du kannst mich nicht vergessen, Adisla.«
»Ich werde dich nie vergessen.« Sie umarmte ihn und weinte an seiner Schulter.
»Wirst du ihn heiraten?«
Adisla zog sich einen Schritt zurück, fasste sich und sah ihm in die Augen. Auch mit den Tränen im Gesicht ist sie hübsch, dachte Vali. Er wollte sie trösten und dafür sorgen, dass für sie alles gut war, sie sollte lächeln und lachen. Dabei wusste er doch, dass er selbst die Ursache ihres Elends war. Er war eine Haaresbreite davon entfernt, alles zu bekommen, was er wollte – das Mädchen, das er liebte, stand vor ihm, es war ein schöner Sommernachmittag, die Sonne wärmte das Land, ein frischer Wind wehte –, und doch war alles einen ganzen Ozean entfernt.
»Wirst du?«, fragte er noch einmal.
»Vali, ich werde nicht deine Konkubine sein, und ich kann nicht deine Frau sein. Was bleibt mir übrig?«
Vali nickte. »Drengi ist ein guter Mann. Er war uns allen immer ein guter Freund. Ich wünschte, du hättest dir jemanden ausgesucht, den ich wenigstens hassen könnte.«
»Ich habe ihn nicht ausgesucht, Vali. Wie viele Männer gibt es denn, zwischen denen ich wählen könnte? In der Gegend leben nur fünf Bauern, von denen mich drei nicht einmal ansehen, weil ich nur eine bescheidene Mitgift bekomme. Ich bin alt, Vali. Drei Sommer über der Zeit, in der die meisten Mädchen heiraten. Das Schicksal hat uns zusammengeführt. «
»Nein«, widersprach Vali. »Das Schicksal hat uns zusammengeführt. Unsere Fäden werden zu einem einzigen Tuch gewoben. Der Wolfsmann wurde mir geschenkt – ich musste nicht einmal einen Finger rühren. Die Götter waren auf meiner Seite.«
»Ich habe noch nie gehört, dass du die Götter erwähnt hast.«
»Ich habe sie auch noch nie gebraucht. Ich schwöre dir, Odin, gib mir dieses Mädchen, oder ich werde mit allen Kräften gegen dich kämpfen.«
Hinter der Halle landeten zwei Raben auf einem Baum.
Adisla riss die Augen auf. »Also, er hat dich anscheinend gehört.« Sie streichelte Valis Wange.
Jetzt schossen auch ihm die Tränen in die Augen, und gleichzeitig musste er kichern. »Dann hört euch an, was ich zu sagen
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