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Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen

Titel: Wolfskuesse - Mein Leben unter Woelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elli H. Radinger
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Straße. Hier hatten die Druids jahrelang ihr Höhlengebiet gehabt und ihre Jungen aufgezogen. Weiter ging die Fahrt. Ich ließ alle anderen Parkbuchten liegen, an denen ich sonst Ausschau nach den Wölfen hielt. Es versprach ein klarer, sonniger Tag zu werden. Darum fuhr ich zielstrebig zu meinem Lieblingsplatz in der Nähe des Zusammenflusses von Soda Butte Creek und Lamar River. Ich stellte das Auto am Straßenrand ab und packte meine Ausrüstung in den Rucksack: kleine Isomatte, Handschuhe, Mütze, Sonnenbrille, Fotoapparat und mein Tagebuch. An den Gürtel hängte ich das Funkgerät und das Bärenspray. Ich begann den langen Aufstieg zu meinem Aussichtspunkt. Noch war es eisig kalt. Erst wenn die Sonne hinter dem Mount Norris hervorkam, würde es wärmer werden. Auf dem Berg angekommen, machte ich es mir gemütlich und entspannte mich. Hier oben konnte ich sowohl ins Lamar Valley nach Westen als auch ins Soda Butte Valley nach Osten schauen. Weit hinten im Süden lag Cache Creek, ein Tal, in dem sich die Druid-Wölfe oft aufhielten.
    Vor dreißig Jahren war das Gebiet, das jetzt vor mir lag, noch eine versteppende Landschaft gewesen. Die Büsche an den Flussufern wuchsen nicht über eine Höhe von einem Meter hinaus. Die Hirsche gaben dem frischen Grün im Frühjahr keine Chance. Keine Büsche, das hieß, es gab auch keinen Schatten und keine Vögel.
    Das war nicht immer so. Wenn ich mir alte Bilder von Yellowstone anschaue, dann sehe ich noch reichlich Bäume und Vögel. Was war geschehen?
    Die Hirsche waren geschehen. In Yellowstone lebte einst die am meisten verwöhnte Population wilder Grasfresser des Planeten. Fast ein Jahrhundert lang konnten sich die großen Wapitihirsche munter vermehren, weil ihre natürlichen Feinde |155| wie Wolf und Bär ausgerottet worden waren. Nur extreme Wetterverhältnisse regulierten ihre Zahl. Innerhalb kürzester Zeit explodierte die Hirschpopulation in Yellowstone. Um herauszufinden, wie sich das Land ohne Hirsche entwickeln würde, zog man einen Zaun um einzelne Areale. Dort kann man heute noch sehen, wie in Gebieten, zu denen die Hirsche keinen Zugang haben, die Bäume wachsen. Um der Grasfresser Herr zu werden, führte die Parkverwaltung großangelegte Hirschjagden ein. Jedes Jahr musste die Quote erhöht werden, weil sich die Tiere stark vermehrten. Beutegreifer wie Wolf und Bär hielt man immer noch für »nicht notwendig«, ja sogar für »überflüssig«. Erste Kritik wurde laut. Es musste eine bessere Lösung geben. Es war Präsident Nixon, der 1973 das erste Artenschutzgesetz Amerikas unterzeichnete – mit dem Wolf als einer der ersten Tierarten, die unter Schutz gestellt wurden. Es sollte jedoch noch zweiundzwanzig Jahre dauern, bis nach siebzig Jahren Abwesenheit die ersten Wölfe wieder den Boden von Yellowstone betraten. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Hirschpopulation mit 35   000 Tieren schon längst ihr Limit erreicht.
    Nun begann eine neue Ära in Amerikas ältestem Nationalpark. Die Wölfe füllten sofort wieder die Lücke, die seit dem Abschuss des letzten Wolfes 1926 geklafft hatte. Von da an war nichts mehr, wie es war – oder besser gesagt, es wurde wieder so, wie es einst gewesen war.
    Für die Hirsche war es nun vorbei mit der Gemütlichkeit und dem satten, zufriedenen Leben. Anfangs konnten sie wenig mit den neuen Beutegreifern anfangen. Ich erinnere mich noch sehr gut an die ersten Jahre. Meist blieben die Hirsche unbeeindruckt stehen, wenn die Wölfe auf der Suche nach Nahrung durch das Tal zogen. Viele blickten noch nicht einmal hoch.
    »Hey – da laufen Wölfe!«, wollte ich rufen. »Wölfe fressen Hirsche! Wisst ihr das nicht?«
    Sie lernten schnell. Heute sind sie wachsamer.
     
    |156| Von meinem Beobachtungspunkt aus bemerkte ich eine Bewegung. Ich legte mein Notizbuch zur Seite und stand auf. Durch das Fernglas sah ich eine Hirschkuh im Gebüsch stehen. Sie hatte mit dem Fressen aufgehört und starrte konzentriert und sehr aufmerksam auf etwas, das sich auf sie zu bewegte: Wölfe! Ich wechselte vom Fernglas zum Spektiv, um die Szene zu verfolgen.
    Vor meinen Augen entwickelte sich der Millionen Jahre alte »Tanz des Todes« zwischen Wolf und Hirsch. Ein sorgfältig choreografiertes Ritual zwischen Angreifer und Beute. Eine Reihe vorhersehbarer Aktionen (Suchen, Annähern, Beobachten, Angreifen, Töten). Selbst die Schritte der Hirschkuh waren vorhersehbar und zeigten mir, was als Nächstes passieren würde.
    Es gibt verschiedene »Tänze«

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