Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfskuss - Handeland, L: Wolfskuss

Wolfskuss - Handeland, L: Wolfskuss

Titel: Wolfskuss - Handeland, L: Wolfskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
Vom Netzwerk:
mich weit mehr beunruhigte als ihr Aussehen, war der kleine Junge in ihrer Gewalt.
    Er war acht Jahre alt und auf keinen Fall ein Fliegengewicht. Trotzdem hielt sie ihn mit einer Hand in der Luft; seine Turnschuhe baumelten dreißig Zentimeter über dem Boden. Sein Körper war schlaff, aber ich sah, dass sich seine Brust in regelmäßigen Abständen hob und senkte.
    Bewusstlos. Gut. Miss Larsons äußerer Erscheinung nach zu urteilen, würde das hier kein Zuckerschlecken werden.
    „Lassen Sie ihn runter.“ Ich schrie weder, noch flüsterte ich. Ruhig, aber bestimm t – das funktionierte in den meisten Situationen am besten.
    Miss Larson sah auf. Ihr Mund war mit rosafarbenem Schaum besprenkelt. Es war kein guter Look für sie.
    Aus den Augenwinkeln bemerkte ich in der Nähe noch einen weiteren Menschen. Größer. Kein Kind, sondern ein Mann. Vielleicht der Hausmeister oder der Rektor. Er bewegte sich nicht, schien noch nicht mal zu atmen, und überall um ihn herum waren Blutspritzer. Jetzt wusste ich, warum der Schaum vor Miss Larsons Mund rosa war.
    Ich entsicherte meine Pistole. Die Tür zu einer friedlichen Lösung war zugeschlagen.
    „Setzen Sie ihn ab!“ Meine Stimme war lauter und weniger ruhig als zuvor. „Tun Sie es, Karen.“
    Sie wackelte mit dem Kopf, so wie ein Hund, der irgendwo im Dschungel menschlicher Worte seinen Namen erkannt hatte. Ich zitterte. Das hier war einfach zu unheimlich.
    Die Dinge wurden noch unheimlicher, als sie mich anknurrte. Ganz im Ernst. Das hat sie getan. Schaumpartikel flogen von ihrem Mund, und auf ihren Zähnen waren Blutflecken.
    IchmachteeinenkleinenSchrittnachvorn,undsieknurrtewie­der, drückte den erschlafften Jungen dann enger an sich, schnüffelte an seinem Haar und leckte seinen Hals. Was als Nächstes geschah, kann ich nicht mit Gewissheit sagen.
    IchwürdejedochbiszumheutigenTagschwören,dasssiemichmitvollkommenerKlarheitanlächelte.SoalsobesihrgutgingeunddiesallesnureinMissverständnissei.Ichwürdeaußer­dem schwören, wenn auch niemals laut, dass sich im nächsten Augenblick eine wilde Maske über ihr Gesicht legte; in ihren Augen lebte die Seele eines Tieres.
    Sie hob den Kopf und bog ihn nach hinten, so als wollte sie dem Kind in ihren Armen die Kehle herausreißen, als plötzlich ein Schuss durch den Raum donnerte.
    Ich werde nie feststellen können, ob ich mir die Veränderung bei Karen Larson nur eingebildet habe oder ob sie echt war, weil ihr Kopf nämlich nach hinten zuckte, als ihr die Kugel das Gehirn wegschoss.
    Zum Glück war der Junge bewusstlos. Angesichts der Schweinerei wünschte ich mir, es ebenfalls zu sein.

4
    Bevor ein falscher Eindruck entsteh t – ich habe sie nicht erschossen. Ich wirbelte herum und fand mich Auge in Auge mit meinem Boss, Sheriff Clyde Johnston, wieder.
    „Hättest du diese Pistole irgendwann noch mal abgefeuert oder eher einen Dixie gepfiffen?“, brummte er.
    Obwohl Clyde zu drei Vierteln Indianer war, erfüllte er jedes Klischee eines Sheriffs. Sein Bauch wölbte sich so weit vor, dass er fast sein Hemd sprengte, der Kautabak in seinem Mund verstümmelte seine Sprache, und die Größe seines Revolvers ließ mich an die alten Witze über große Knarren und bescheidene männliche Ausstattung denken. Seine Angewohnheit, Zitate aus Clint-Eastwood-Filmen in normale Gespräche einzuflechten, stra­pazierte die Geduld besserer Menschen, als ich einer bin.
    Seine Clint-Fixierung erklärte auch, warum wir in Miniwa 44er Magnums trugen, obwohl eine Menge anderer Polizeibehörden längst in die Welt halbautomatischer Waffen eingetaucht war. Aber ich stimmte mit Clyde überein, dass Revolver zuverlässiger waren als die neumodischen Automatikwaffen, die eine höhere Munitionsqualität erforderten und außerdem zu Fehlzündungen neigten. Wenn es um Waffen geht, ziehe ich Zuverlässigkeit der Schnelligkeit jederzeit vor.
    Meine Ohren klingelten noch von der Lautstärke des Schusses, als ich quer durch den Raum lief und den kleinen Jungen aufhob. Er war immer noch ohnmächtig. Ein schneller Blick zu dem an­deren Körpe r – dem Schnitt seines Anzugs nach war es der Rekto r – , offenbarte, dass er ebenso tot war wie Karen Larson, wenn auch nicht aus demselben Grund. In ihrem Kopf klaffte ein großes Loch. Der Rektor hatte eins an der Kehle.
    „Ich schätze, die 44er Magnum ist tatsächlich die beste Handfeuerwaffe der Welt“, stellte Clyde fest. „Hat ihr fast den Kopf weggerissen.“
    Das war selbst für mich ein bisschen

Weitere Kostenlose Bücher