Wolfskuss - Handeland, L: Wolfskuss
herauszufinden?“
„Vielleicht hat er auf diese Weise sichergestellt, dass Sie sie eben nicht herausfinden?“
„Wie das?“
„Indem er Ihnen genug erzählt, damit Sie ihm vertrauen, aber trotzdem nicht genug, um ihn aufhalten zu können. Und er hätte damit gleichzeitig seinen Fuß im feindlichen Lager. Haben Sie ihm gesagt, was Sie wissen?“
Mein Gesicht wurde heiß. Er sah mich scharf an, dann seufzte er. „Jessie. Er hätte Sie töten können, während Sie schliefen.“
„Aber das hat er nicht. Da ist noch etwas anderes, das mich stört. Warum sollte er mir das Totem zurückgeben, wenn es so wichtig ist für das Ritual?“
„Sie haben das Totem?“
Ich und meine große Klappe. „Äh, ja.“
Vermutlich hatte ich ihm doch nicht alles gesagt.
„Sie hatten es die ganze Zeit über?“
Ich nickte.
Diesmal zeigte seine Miene Respekt anstelle von Verärgerung. „Gut. Nach dem, was Sie gelesen haben, können die ohne das Objekt nichts machen.“
„Können sie nicht einfach ein anderes herstellen?“
„Wenn es so einfach wäre, würden sie nicht so angestrengt danach suchen.“
„Tun sie das?“
„Jemand hat die Beweismittel vom Polizeirevier gestohlen.“
„Cadotte.“
„Vielleicht.“
Ich runzelte die Stirn. „Andererseits ist jemand in sein Büro eingebrochen, er kann es also nicht sein.“
„Vielleicht.“ Ich warf ihm einen bösen Blick zu, und seine Lippen begannen zu zucken. „Er könnte es selbst verwüstet haben.“
„Das wäre möglich. Aber es ergibt trotzdem noch immer keinen Sinn, dass er mir das Totem zurückgegeben hat. Er hätte behaupten können, es verloren zu haben. Oder dass es gestohlen worden sei. Ich hätte es dann ausbaden müssen.“
„Ja.“
„Glauben Sie wirklich, dass er einer von ihnen ist?“
„Ich halte jeden für einen von ihnen, bis ich vom Gegenteil überzeugt bin. Diese Herangehensweise hat mich viele, viele Jahre am Leben erhalten.“
Ich fand einen Stock und beugte mich über das Feuer, um die Asche zu verteilen und Erde über das zu schichten, was übrig war. Mein Stiefel blieb an einem Stein hängen, und ich stolperte. Mandenauer griff nach meinem Arm, um mich davor zu bewahren, Asche zu essen. Er stand zwischen mir und dem Wald.
Wie aus weiter Ferne vernahm ich plötzlich ein seltsames, sirrendes Geräusch. Aber erst als etwas durch die Luft zischte, begriff ich, was ich gehört hatte.
Hätte ich das Geräusch nicht aus der Erinnerung wiedererkannt, wäre der Pfeil, der nun aus Mandenauers Schulter ragte, Hinweis genug gewesen. Er fiel auf die Knie und verfehlte dabei nur knapp die Überreste des Feuers.
Ich zog meine Pistole, kniete mich schützend vor ihn und suchte die Baumgrenze ab. Nichts zu sehen.
Mandenauer stieß mich mit seinem Fuß an. „Gehen Sie. Ich komme schon zurecht.“
Er hatte sich sein Gewehr auf den Schoß gezogen, aber mit dem Pfeil in seiner Schulter würde er nicht sehr gut schießen können.
Ich seufzte. „Ich werde Sie nicht allein lassen.“
„Er wird entkommen.“
„Er ist längst weg, und das wissen Sie.“
Ich sah mir den Pfeil genauer an und erschauderte. „Der stammt aus einer Armbrust.“
„Und?“
Bilder zuckten vor meinen Augen vorbei. Cadottes unordentliches Haus. Papiere. Bücher. Ein Wolfskopf an der Wand. Eine Armbrust in der Ecke. Verflucht.
Ich sah Mandenauer an und beschloss, ihn nicht einzuweihen. „Nicht wichtig.“
Er verdrehte den Hals, um den Pfeil sehen zu können. Blut durchtränkte in alarmierender Menge sein Hemd.
„Hey. Hören Sie auf, sich zu bewegen!“
„Woran erkennen Sie, dass er von einer Armbrust stammt?“
„Er ist kürzer.“
„Für mich fühlt er sich lang genug an.“ Auf seiner Stirn stand Schweiß. Seine Haut war um einiges blasser geworden.
„Kommen Sie.“ Ich ergriff seinen gesunden Arm, um ihm auf die Füße zu helfen. „Bringen wir Sie zu einem Arzt.“
„Ziehen Sie ihn einfach raus. Das kommt schon wieder in Ordnung.“
„Wollen Sie eine Kugel, um daraufzubeißen, großer Junge?“
„Was?“
„Egal. Auf jeden Fall ziehe ich das da nicht raus.“
„Das ist genau das, was sie wollen. Dass wir die Jagd aufgeben. Falls wir die Werwolf-Armee nicht vor dem Blauen Mond vernichten, wird das Böse die Erde beherrschen.“
„Auf die eine oder andere Art wird das Böse immer die Erde beherrschen.“
Er stolperte, und ich hielt ihn fester. „Sie haben recht. Selbst wenn wir hier gewinnen, gibt es stets irgendwo anders noch
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