Wolfskuss - Handeland, L: Wolfskuss
Nicht nur gab es mehrere Methoden, einen Werwolf zu kurieren; es war auch eine Menge historischer Information mit eingeschlossen. Von der Antike über das Mittelalter bis zur Gegenwart existierten Überlieferungen seltsamer Ereignisse, erklärbaren und unerklärbaren Verhaltens. Merkwürdig, aber die meisten dokumentierten Fälle von Lykanthropie im zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhundert waren nie von den Zeitungen oder dem Fernsehen aufgegriffen worden. Konnte man sich das vorstellen?
Bis vor ein paar Wochen hätte ich behauptet, dass allein dieser Umstand sie unwahr machen musste. Inzwischen wusste ich es besser. Es gab Möglichkeiten, die Wahrheit zusammen mit den Beweisen verschwinden zu lassen. Offensichtlich waren die Jäger-Sucher in mehr involviert als nur die Vernichtung der Monster selbst; sie waren auch beteiligt, wenn es um die Vernichtung jeglicher Beweise für die Existenz von Werwölfen ging.
„Pentagramm“, las ich. „Schutz gegen einen Werwolf.“
Ichkonntemirausmalen,wieeswäre,indiesemTeilderWäldereinHexensymbolzutragen.IchwürdemöglicherweisedasOpfereineskleinenJessie-Scheiterhaufenswerden.EinundzwanzigstesJahrhunderthinoderher,dieLeuteindennördlichenWäldernhatten für Pentagramme tragende Frauen nicht viel übrig.
„Das kannst du vergessen“, murmelte ich, noch bevor ich Elises Notiz am Rand entdeckte: „Taugt nichts.“
Ich las weiter. Neben vielen Heilmethoden hatte Elise die Resultate notiert. Wie Mandenauer angekündigt hatte, funktionierten die meisten von ihnen nicht. Aber da waren auch mehrere, neben die sie ermutigende Bemerkungen wie „manchmal“, „vielleicht“ oder „verdammt, warum nicht?!“ gekritzelt hatte.
Ich fing an, Elise zu mögen.
„‚Ruft das Tier bei seinem menschlichen Namen, während es seine Wolfsgestalt trägt.‘ Tja, das geht nur, wenn wir wissen, um wen es sich handelt.“
Das könnte bei Cadotte funktionieren. Einen Versuch wäre es wert.
„‚Entnehmt dem Tier zehn Tropfen Blut. Haltet ein Objekt aus Stahl über seinen Kopf.‘“ Ich starrte das Blatt finster an. Das könnte durchaus schaden. Mir nämlich. Nein, danke.
„‚Schneidet ihm eine Gliedmaße ab. Der Werwolf wird sich zurückverwandeln, ohne die Gliedmaße.‘“
„Ich denke nicht.“
Es gab da jede Menge Ideen, die noch nicht versucht worden waren. Die meisten von ihnen waren brutal und beinhalteten in der Regel, das Tier auf irgendeine Weise in Stücke zu hacken. Ich war nicht nur nicht bereit, einem Werwolf so nahe zu kommen, ich wollte auch Cadotte dabei nicht verletzen.
Wenn ich ihn töten musste, okay. Aber ich würde ihn nicht foltern auf die geringe Chance hin, dass er dadurch geheilt würde. Das schmeckte ein wenig zu sehr nach der Art, wie die Nazis an die Dinge herangegangen waren, was uns dieses Chaos überhaupt erst eingebrockt hatte.
Am Ende blieben mir zwei Möglichkeiten, die ich versuchen konnte. Das Namensspiel und noch eine andere. „Gestehe dem Mann in der Bestie deine Liebe. Wenn deine Liebe wahrhaftig ist, wird er wieder menschlich werden und auf ewig so bleiben.“
Ich wusste nicht, ob ich Cadotte liebte, aber einen Versuch war es wert. Es wäre mir auf jeden Fall wesentlich weniger peinlich, einem Wolf meine Liebe zu gestehen als einem Mann. Falls meine Liebe wahrhaftig war, dann nahm ich an, dass wir beide gewinnen würden.
Ich benutzte mein Handy, um Brad zu kontaktieren. Er war ein Idiot, aber er war mein Idiot. Brad war so loyal wie ein Labrador Retriever und nur halb so dumm. Wenn ich ihm befahl, Mandenauer mit Argusaugen zu bewachen, dann würde er das tun. Wenn ich ihm befahl, den alten Mann mit seinem Leben zu schützen, würde er auch das tun.
Zehn Minuten später traf Brad ein. Ich erklärte ihm das Wichtigste: Mandenauer war angeschossen worden; ich wusste nicht, von wem, deshalb wollte ich, dass er beschützt wurde.
„Ich werde ein paar Hinweisen nachgehen“, sagte ich und ließ die beiden allein.
Ich steuerte den Ausgang der Notaufnahme im hinteren Teil der Klinik an. Ich hatte vor, Will ausfindig zu machen und Dr. Hanovers Theorien zu überprüfen.
Nach Mitternacht war der Parkplatz einer nördlichen Kleinstadt menschenleer. Ein paar Autos, höchstwahrscheinlich von Mitarbeitern, standen vor der Baumreihe, die hinter der Klinik einen Halbkreis bildete.
Unter dem hellen, blanken Mond reflektierte die Motorhaube meines Wagens silberne Lichtfunken. Was meine einzige Entschuldigung ist, warum ich den riesigen,
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