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Wolfslegende

Wolfslegende

Titel: Wolfslegende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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seinem Gedächtnis ab. Einem Gedächtnis, in dem nicht allein die Erfahrungen dieser Inkarnation wohnten, sondern die sämtlicher Leben, die er je durchlaufen hatte!
    Wann mag es überhaupt begonnen haben? durchzuckte es Nona. Wann nach seinem Fall gelang es Luzifer erstmals, einen Teil von sich wieder in der Schöpfung zu etablieren, aus der er verbannt worden war? Schon vor der Sintflut? Unmittelbar danach? Oder doch erst sehr viel später?
    Ohne daß es ihr bewußt wurde, verknüpfte sie Wissen, das Land-ru ihr einst geschenkt hatte, mit Wissen, das vom Teufel selbst in sie geflossen war.
    »Hier begann was?« drängte sie ihn zu einer konkreten Äußerung.
    »Du wirst es erfahren - mit eigenen Augen sehen und erleben. Gib mir noch einmal deine Hand und laß dich führen!«
    »Was hast du vor? Du kannst nicht in der Zeit zurückgehen. Könntest du es, bräuchtest du niemandes Unterstützung - dann könntest du selbst aus deinen früheren Niederlagen Siege machen!«
    Gabriels Augen spiegelten nicht das Geringste von ihrer Umgebung wider. Pure Schwärze, pure Drohung wogte darin. Es erinnerte Nona daran, keinem Menschen gegenüberzustehen, sondern einem dunklen Gott. Dem Antichristen.
    »Wir werden nicht in der Zeit zurückgehen«, pflichtete er ihr indirekt bei. »Aber ich werde die alte Zeit für dich noch einmal erstehen lassen. Du wirst sie sehen, wie andere sie einst sahen. Und danach wird es für dich kaum noch offene Fragen geben - was den Sinn und Zweck deiner Art betrifft!«
    Ehe Nona etwas erwidern konnte, hatte er sich ihre Hand genom-men. Und die Wolfsfrau dorthin verschleppt, wo alles begonnen hatte. Wo ihre und die Wurzeln noch vieler anderer Verdammter lagen .
    *
    Vergangenheit
    Kreta, lange vor Christi Geburt
    Sotiris Dakaris war so sehr in die rituelle Eingeweideschau vertieft, daß er die hinter ihm den Raum betretende Gestalt gar nicht bemerkte. Zumal düstere Vorahnungen seine Aufmerksamkeit für die Umwelt einschränkten.
    Knöcheltief stand er im Blut des fetten Stiers, der ihm, wie jeden Monat, auf Geheiß des Königs zugebracht worden war. Dakaris galt als das zur Zeit beste Orakel bei Hofe. Dieser Ruf war nicht nur Ehre, sondern in noch viel größerem Maße Verpflichtung.
    Der Augure aus dem uralten Sehergeschlecht der Iamiden stand unter enormem Druck. Denn am Himmel über dem Reich zogen immer mehr dunkle Wolken auf. Daß alles auf eine neue Katastrophe, eine neue Heimsuchung zusteuerte, war selbst für Unkundige kaum noch zu übersehen.
    Im zweiten Jahr nach dem Tod des Minotaurus und Theseus' Rückkehr nach Athen dämmerte das Reich immer noch dahin, als würde es ganz langsam von der dunklen Schuld erstickt und aufgezehrt, die König Minos auf sich geladen hatte.
    Vor Dakaris waren schon andere berühmte Auguren nach Knossos gerufen worden. Aber den Fluch von Minos zu nehmen oder ihm wenigstens einen Ausweg daraus aufzuzeigen war keinem von ihnen gelungen .
    Wieder und wieder setzte Dakaris die scharf geschliffene Klinge an, wühlten seine Hände in dem aufgeschlitzten Tier.
    Umsonst.
    Erst als er alles durchsucht, jeden Winkel des Kadavers abgetastet hatte, hielt er einen Moment inne und schleuderte das Messer fluchend zu Boden, wo es klirrend aufschlug.
    »Was ist? Warum seid Ihr so außer Euch?«
    Die Stimme klärte seinen Blick. Ernüchtert fuhr er herum und sah ins Gesicht von Gortyn, dem Verbindungsmann zwischen Dakaris und dem König. Gortyn überbrachte üblicherweise die Resultate der Eingeweideschauen, deshalb herrschte der Augure ihn unfreundlich an: »Ihr seid zu früh! Ich bin noch nicht fertig, Ihr müßt Euch noch gedulden!«
    Gortyn war blutjung. Und schön wie ein Knabe es nur sein konnte. Dakaris hatte Gerüchte gehört, wonach Minos ihn auch in mancher Nacht bei sich hatte, um sich in seinen Armen über Pasiphaes Untreue hinwegzutrösten. Aber der Augure schätzte Gortyn als zu klug ein, um dieses Gerücht zu glauben.
    Minos hatte sich mit vielen Geliebten über die Untreue seiner Gemahlin hinweggetröstet, aber so wenig, wie er Trost gefunden hatte, hatte es für sie Glück bedeutet. Alle, ausnahmslos alle - und das war kein Gerücht - waren in seinen Armen gestorben, ohne daß äußere Todesumstände entdeckt worden wären.
    Seine bloße Nähe schien sie umgebracht zu haben - und weiter umzubringen, wer immer es wagte, ihm etwas Liebe und Zärtlichkeit schenken zu wollen. Minos war zum einsamsten König der Welt geworden .
    »Das sah eben anders aus«, sagte Gortyn

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