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Wolfslegende

Wolfslegende

Titel: Wolfslegende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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warum ich dich von deiner Arbeit fortrufen ließ, ist dies«, sagte der König. »Ich kann und will die Frist, die ich dir einräumte, nicht mehr gutheißen. Zwanzig Mißgeburten bedeuten zwanzig damit einhergehende Plagen, Mißernten, was auch immer ...! Mein Volk hat viel erduldet unter meiner Ägide. Aber es verzeiht nicht mehr alles. Die Spitzel, die sich in meinem Auftrag unter die Leute gemischt haben, berichten von stündlich wachsender Unzufriedenheit, von kleinen Ausbrüchen der Wut, die sich im Handumdrehen in einen Sturm ausweiten können! - Nein, ich breche ungern mein Wort, aber es gibt keinen anderen Weg. Ich habe lange nachgedacht und mit jedem gesprochen, von dem ich mir Rat versprach. Nun habe ich eine unumstößliche Entscheidung gefällt. Und ich wäre sehr froh, wenn du sie unterstützen würdest.«
    »Ihr wollt die Zeichen verbrennen lassen?«
    »Zeichen?« Minos hob die Brauen.
    »Es sind Zeichen. Warnungen. Ich muß sie nur entschlüsseln. Dann .«
    »Dann?«
    »... hören sie vielleicht auf.«
    Minos nickte, als hätte er nie eine Garantie, sondern nur eben dieses »Vielleicht« erwartet. »Die Ratschlüsse der Götter sind unergründlich«, sagte er, so leise, daß Dakaris es kaum verstand. Der Blick des Königs war ins Schwarz des Himmels gerichtet. In die Endlosigkeit und Ewigkeit, die dort zu Hause war. »Vielleicht kann ich tun und wagen, was ich will, und es ändert ohnehin nichts mehr. Zeus, der Göttervater, mag sich von mir abgewandt haben und mich nie mehr in Gnade aufnehmen. Dann ist das Ende gekommen. Das Ende meiner Herrschaft. - Damit muß und werde ich mich auseinandersetzen. Und wenn nur mein Tod die Lähmung, den Haß und die Krankheit aus den Herzen meines Volkes nehmen kann, dann will ich auch diesen Tribut leisten ... Doch letzte Nacht -«
    Minos stockte.
    Dakaris glaubte Tränen auf den Wangen des Königs zu erkennen, aber das Sternenlicht mochte täuschen. Die Stimme jedenfalls schwankte nicht, als er den Faden wieder aufnahm und weiterspann: »Doch letzte Nacht hatte ich einen Traum, der mehr war als bloßes Hirngespinst. Eine Stimme sprach zu mir in dem süßesten Ton, den ich je gehört habe. Von ihr fühlte ich mich seit einer unglaublich langen Zeit zum ersten Mal wieder verstanden und ehrlich bedauert. Sie gab mir einen Rat zur Hand, wie ich den Fluch, der auf mir lastet, vielleicht doch noch besiegen kann.«
    Seltsam berührt fragte Dakaris: »Was schlug die Stimme vor?«
    »Sie erzählte von einem geheimnisvollen Volk, das jenseits des Nordwinds auf einer Insel wohnt. Die Stimme hieß die Angehörigen dieses mächtigen Volkes Hyperboreer. Ihre Götter haben Namen wie Bran oder Belinus. Bäume sind ihnen heilig, und bestimmte Pflanzen dienen ihren Beschwörungsritualen, mit denen sie ihre Götter gnädig stimmen.«
    Minos preßte die Lippen zusammen.
    »Ihr wollt der Stimme folgen?« fragte Dakaris.
    »Ich will es wagen, ja. Es mag der Starrsinn sein, der mich dazu treibt. Und die bitteren Enttäuschungen, die unsere Götter mir zugefügt haben, aber ganz egal, wer oder was es mir einflüsterte: Ich werde Schiffe dorthin entsenden, wo das Reich der Hyperboreer liegt! Und wenn du mein verlängerter Arm auf dieser Reise sein wolltest, die ich selbst nicht mitmachen kann, weil niemand auch nur ahnen darf, was im Herz meines Reiches vorgeht, wäre ich unsagbar froh.«
    Unsere Götter, hallte es im Kopf des Auguren nach. Minos hatte gesprochen, als gäbe es noch andere Himmelsmächte neben dem Pantheon!
    Absurd .
    Laut fragte er: »Ich? Wie kommt Ihr ausgerechnet auf mich? Ich bin kein Krieger, und bei einer Reise ins völlig Ungewisse -«
    »Die Krieger gebe ich dir mit - eine ganze Armee«, sagte Minos, ohne zu ihm herüberzusehen. Statt des Weines schien er das Licht der Sterne zu trinken. Mit funkelndem Blick. »Und vieles mehr! In meinen Kerkern schmachtet seit Jahren ein sonderbarer Fremder, der von einem unserer Schiffe auf hoher See aufgegriffen wurde, als einziger Überlebender eines Unglücks. Er trieb auf einer Planke dahin. Und als man ihn fand, leistete er größten Widerstand, so als wollte er gar nicht gerettet werden. Im Wahn tötete er zwei kretische Kaufmänner, die ihn bei ihrer Ankunft im Hafen meiner Gewalt übergaben. Ich schonte sein Leben nur, weil der Aufenthalt in der Wasserwüste ihn den Verstand gekostet zu haben schien. Er verschwand in einem Kerker, und ich vergaß ihn. Bis zur gestrigen Nacht. Denn so wie die Stimme mir die Hyperboreer

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