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Wolfslied Roman

Wolfslied Roman

Titel: Wolfslied Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
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zu verschmelzen und sich neu anzuordnen. Ich wusste nicht länger, wo Red aufhörte und wo ich begann.
    Das war keine Chemie, die uns zusammenführte. Nein, das war Alchemie - magisch und entgrenzend. Kurz fiel mir ein, wie ich vor einiger Zeit Panik verspürt hatte, als ich mich von der Realität zu lösen begonnen hatte. Auch jetzt ängstigte mich dieses Erlebnis, doch die Angst verweilte nur einen Augenblick. Ich konnte weder an mir noch an der Panik lange festhalten, und je schneller ich mich auf den Höhepunkt zubewegte, desto weniger wollte ich es versuchen. Ich ließ einfach los.
    Red presste seinen Mund auf den meinen und nahm so den Schrei, den ich ausstieß, in sich auf, während wir uns ineinander auflösten und gleichzeitig die Grenzlinie von einem Zustand in einen anderen überschritten.

23
    Die nächsten fünf Tage und Nächte war ich ein Wolf. In den Filmen verwandeln sich Werwölfe mit dem Aufgehen der Sonne wieder in ihre menschliche Gestalt zurück, was zuerst auch bei mir der Fall gewesen war. Doch jetzt, während der Mond am winterlichen Himmel zu sehen war, blieb ich die ganze Zeit über vierbeinig. Red behielt ebenfalls seine Wolfsgestalt, obwohl er jederzeit wieder ein Mensch hätte werden können. In gewisser Weise waren es unsere Flitterwochen - wenn auch recht ungewöhnliche -, die wir auf diese animalische Weise miteinander verbrachten.
    Ich kann mich noch erinnern, wie ich mit der Schnauze den Schnee beschnüffelte, um den Geruch von Feld- und Wühlmäusen im Winterschlaf aufzunehmen und ihren langsamen Herzschlägen unter der Erde zu lauschen. Wenn wir eine Maus entdeckt hatten, scharrten wir mit unseren Vorderpfoten an den Erdlöchern, gruben sie aus und sprangen schließlich wie Katzen hin und her, bis wir sie erwischt hatten. Ich erinnere mich auch daran, wie ich einem jungen Kaninchen hinterherjagte, gefolgt von Red, der sich immer wieder gegen mich drängte und mich neckte, bis wir schließlich unsere Beute verloren, weil wir
übereinander herfielen, uns zärtlich in den Nacken bissen und gegenseitig die Gesichter ableckten.
    Morgens und abends paarten und liebkosten wir uns weiter, kämpften spielerisch miteinander und gingen auf die Jagd. Nachmittags schliefen wir ineinander verschlungen, atmeten den Fellgeruch des anderen ein und erkannten darin die Düfte jener Orte, an denen wir zuvor gewesen waren - so wie sich Menschen Urlaubsfotos ansehen. Ich kam mir auf einmal wieder unglaublich jung vor, da ich ständig das Gefühl hatte, umsorgt, liebkost und bewundert zu werden. Wenn ich mich zu weit von Red entfernte, verspürte ich ein leichtes Brennen in der linken Brusthälfte, ganz in der Nähe des Herzens. Ich wusste instinktiv, dass das ein Zeichen unseres Blutbundes war. Doch nach einer Weile begann ich mich zu fragen, wie lange diese Nebenwirkung wohl noch anhalten würde. Hoffentlich nicht allzu lange! Unter etwas wie Sodbrennen zu leiden, sobald ich mich auch nur einen Kilometer von meinem Freund entfernte, würde meine Arbeitssituation nämlich verdammt unangenehm gestalten, sobald ich wieder in der Lage war, in die Praxis zurückzukehren.
    Allerdings war Red nun nicht mehr bloß mein Freund. Ihm zufolge waren wir jetzt nach Limmikin-Tradition miteinander verheiratet.
    In Wolfsgestalt wanderten wir die Grenzen unseres Territoriums ab. Zuerst ging es den Old Scolder Mountain hinauf, wo wir mit Jackies Rudel um die Wette heulten. Pia beobachtete uns wehmütig in menschlicher Gestalt, wobei ihr blasses Gesicht aus der mit Pelz besetzten Kapuze schimmerte. Wir luden sie mit lautem Heulen ein, uns zu folgen. Dringend brauchten wir ein Beta-Tier in unserer
Gruppe, und sie schien nicht mehr zu ihren alten Freunden zu gehören, die um Jackies Trailer schlichen und eine Geruchsgrenze mit einer deutlichen Aussage zogen: Haltet euch von hier fern.
    Komm schon, Pia, heulten wir, und für einen Augenblick wirkte sie so, als würde sie es sich überlegen. Es ist uns egal, dass du menschlich bist, sang ich einladend. Doch letztlich nützte alles nichts. Nach einer Weile stapfte sie zu Jackies Trailer zurück, ein einsames Mädchen in viel zu großen Schneestiefeln.
    Im Wald konnten wir die Gegenwart der Manitus spüren, die sowohl wie die Tiere rochen, deren Gestalt sie angenommen hatten, als auch ganz anders. Um sie herum verzerrte sich die Luft, und ein seltsamer Druck war zu spüren, als verdichte sich die Atmosphäre dort und mehrere Realitäten träfen aufeinander. In Wolfsgestalt

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