Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfslied Roman

Wolfslied Roman

Titel: Wolfslied Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
Vom Netzwerk:
undurchdringlich.
    »Ist schon in Ordnung, Doc«, sagte er heiser. »Ich mach dir keine Vorwürfe.«
    Auf einmal sah ich ihn vor meinem inneren Auge, wie er dasselbe Messer benutzte, um kleine Verzierungen in eine Wiege zu schnitzen, während ich in einem Schaukelstuhl am Feuer saß und die Hände auf meinem kugelrunden schwangeren Bauch verschränkt hatte.
    »Red.«
    Er sah mich mit resignierter Miene an. »Ich will deine Erklärung nicht hören. Ist schon klar.«

    Ich streckte ihm meinen linken Arm entgegen. »Ich möchte es tun. Heirate mich.«
    Seine Augen weiteten sich für einen Moment. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein, Doc, das willst du in Wahrheit nicht. Du möchtest mich nur nicht enttäuschen, und das ist auch sehr lieb von dir. Aber das reicht leider nicht aus. Wenn du es mit zweifelndem Herzen tust, wird es nicht funktionieren.«
    Was auch immer meine Bedenken gewesen sein mochten - ich war jetzt ganz davon überzeugt, dass dieser gütige, leicht verschrobene und doch durchaus fähige Mann der Vater meiner Kinder werden sollte.
    Kurz fragte ich mich, ob ich mir selbst trauen konnte. Schließlich hatte ich nicht nur Red mit Hunter betrogen, sondern auch mich selbst. Vielleicht konnte eine solche Entscheidung - wie zuvor schon die, mit Hunter zu schlafen - ebenso von meinen Hormonen beeinflusst sein, die nichts anderes wollten, als sich zu vermehren.
    Doch eigentlich kam mir das höchst unwahrscheinlich vor. Man kennt sich selbst nie hundertprozentig, doch in meinem ganzen Leben war ich mir noch nie so sicher gewesen, was ich wollte. Als ich Hunter geheiratet hatte, war ich vor Glück ganz benommen gewesen, während er dem Standesbeamten mit einem ironischen Lächeln gegenübergestanden hatte. Damals hatte sich das Ganze seltsam unwirklich angefühlt.
    Doch diese schlichte Limmikin-Zeremonie, in der ich einen Tropfen meines Blutes geben sollte, um den Bund zu besiegeln, das fühlte sich real und auch richtig an.
    Ich stand auf und trat zu Red, um mich vor ihn niederzuknien. Natürlich wusste ich, dass traditionell der Mann
um die Hand der Frau anhielt. Na und? Traditionell hatte auch der Mann die größere Macht in einer Beziehung. Bei uns jedoch schien ich diejenige zu sein, die alle Karten in der Hand hielt.
    »Ich habe keine Zweifel mehr. Ich möchte dich heiraten, Red.«
    Er blickte zu mir herab. »Abra, so etwas lässt sich nicht … fingieren.« An seinem Kiefer zuckte nervös ein Muskel. »Wenn du dir nicht hundertprozentig sicher bist, dann funktioniert es nicht nur nicht, sondern kann sogar ziemlich gefährlich werden.«
    Ich blieb vor ihm auf den Knien und sah zu ihm hoch. »Ich bin mir sicher.«
    »Du hast fünf Minuten gebraucht, um dich zu entscheiden. Das nennst du sicher?«
    »Und jetzt habe ich mich entschieden.«
    »Ist schon in Ordnung, Schatz.« Er strich über meinen Kopf. »Wir können uns trotzdem lieben. Es geht mir nicht um alles oder nichts.«
    »Warum lügst du mich an?«
    Er sah mich verblüfft an. »Ich lüge dich nicht an, Abra …«
    »Dann belügst du dich selbst. Wenn wir jetzt aufhören und uns einfach nur lieben, bleibt doch nicht einfach alles beim Alten. Ich gebe es ja zu: Vielleicht gibt es tatsächlich noch den Hauch eines Zweifels in mir. Ich habe mir schon einmal die Finger verbrannt. Aber selbst wenn es so nicht funktioniert und vielleicht sogar gefährlich ist, will ich es trotzdem riskieren, Red.«
    Er betrachtete mich für einen Moment und ging dann ebenfalls in die Knie, um mich zu umarmen. »Oh, mein Mädchen. Mein wunderschönes Mädchen.« Er bedeckte
meine Handgelenke mit Küssen und wanderte mit seinen Lippen bis zu meiner Ellbogenbeuge hoch. »Zieh dich aus.«
    Ich entkleidete mich hastig und reichte ihm nackt meinen linken Arm.
    »Danke«, sagte er tief ergriffen. »Das war der Schlüssel - Vertrauen.«
    Langsam atmete ich aus. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich vor Anspannung die Luft angehalten hatte. »Ist die Klinge dann nur … nur symbolisch?«
    »Nein, nicht ganz.«
    Red lehnte sich zurück und zog erneut das Messer aus der Hintertasche seiner Jeans. In Sekundenschnelle führte er es an die Beuge meines Ellbogens. Ich verspürte einen unangenehmen Stich und stieß vor Überraschung einen Schrei aus, während er mich festhielt und einen sauberen Schnitt in meine Haut machte. Als das Blut floss, blickte ich ihn an. Er hatte einen horizontalen Schnitt entlang einer Vene gemacht. Doch noch ehe ich etwas sagen konnte, blitzte das Messer erneut

Weitere Kostenlose Bücher