Wolfslied Roman
zu helfen. Aber in Wahrheit war ich nur ein Versuchskaninchen für Sie - nicht wahr?«
Malachy fasste in seine Tasche. Falls ihn Pias öffentliche Liebeserklärung überraschte, so ließ er sich das jedenfalls nicht anmerken. Seine Miene wirkte vollkommen ausdruckslos.
»Ich weigere mich, irgendetwas mit dir zu besprechen, wenn du hier so herumtobst, Pia.«
»Bitte«, flehte sie nun mit einer Stimme, die sie wie ein verletztes Kind klingen ließ. »Sagen Sie es mir: Habe ich Ihnen irgendetwas bedeutet? Irgendetwas?«
Eine Träne lief ihr über die Wange, die sie mit der rechten Hand wegwischte. Dann betrachtete sie einen Moment lang ihren feuchten Finger. Ich hatte sie noch nie zuvor weinen gesehen.
Malachy warf einen Blick in die Runde und blickte dann wieder Pia an. »Ich habe bereits alles gesagt, was ich zu diesem Thema zu sagen habe.« Trotz seiner coolen Fassade spielte er nervös mit einem Gegenstand in seiner Kitteltasche. Vermutlich waren es seine Pillen. Er hielt das Fläschchen wie ein Kind fest, das sein Lieblingsspielzeug nicht aus der Hand geben will.
»Ach, wirklich?«
Zuerst glaubte ich, Pia würde ihm eine Ohrfeige verpassen oder versuchen, ihn zu würgen. Doch ich hatte unterschätzt, wie menschlich sie geworden war. Blitzschnell fasste sie in seine Kitteltasche und entriss ihm das Pillenfläschchen. »Dann weigere ich mich auch, Ihnen diese Pillen hier wiederzugeben, Dr. Knox!«
»Pia!« Malachys Miene zeigte deutlich, wie wütend er war. »Gib mir das sofort zurück!«
»Nein«, entgegnete sie und sah ihn wild entschlossen, aber auch verängstigt an, wie es für einen Teenager typisch war. Natürlich hatte sie biologisch betrachtet ihre Pubertät schon länger hinter sich gelassen.
»Pia!«
Sie drehte sich auf dem Absatz um und stürmte in unser
Büro. Für einen Augenblick glaubte ich, dass sie dorthin geflüchtet war, um Malachys Wut zu entkommen. Doch schon im nächsten Moment hörten wir ein lautes Krachen. Malachy wurde kreidebleich und wankte.
»Meine Vorräte«, flüsterte er heiser.
Die Hintertür wurde aufgerissen und fiel dann donnernd ins Schloss. Ohne auf die Proteste unserer Patienten - menschlich und hündisch - zu achten, stürmten wir ins Büro. Pia war es gelungen, den Medikamentenschrank aufzubrechen und Malachys restliche Pillen mitzunehmen.
Ich drehte mich zu meinem Chef um, der bei diesem Anblick auf einen Stuhl gesunken war und die Hände vors Gesicht geschlagen hatte. Vorsichtig legte ich eine Hand auf seine knochigen Schultern. »Haben Sie noch weitere Medikamente bei sich zu Hause?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe alles aufgebraucht, um den Vollmond zu überstehen«, murmelte er und stützte den Kopf in die Hände. »Ich wollte mir gerade eine neue Portion zusammenmischen.«
Für einen Moment verspürte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich ihn allein gelassen und mich mit Red ganz meiner wölfischen Natur überlassen hatte. Mir war zwar im Grunde keine andere Wahl geblieben, aber trotzdem quälte mich der Gedanke, dass ich meinen Chef in einer solchen Situation nicht hatte unterstützen können. Etwas ungeschickt tätschelte ich erneut seine Schulter.
In einer Hinsicht war der heutige Tag zumindest ein Erfolg für ihn gewesen: Sein kleiner Schützling hatte zum ersten Mal Tränen vergossen. Und sie hatte ihn schlecht behandelt. Jetzt konnte niemand mehr behaupten, dass sie nicht menschlich war.
25
Eine Stunde später hatten wir die Hunde, die sich im Wartezimmer weiter verwandelten, in Käfige und Kisten gesperrt und die Praxis geschlossen. Die Stimmung unter unseren menschlichen Patienten wurde minütlich schlechter - vor allem als Kayla Malachy sieben verschiedener Arten der Misshandlung bezichtigte und Marlene auf einmal die Befürchtung äußerte, der Virus, der unter den Hunden grassierte, könne sich auch auf Menschen übertragen. Ich selbst hegte eher die Sorge, dass eine Mutation des Lykanthropie-Virus stattgefunden hatte und Menschen jetzt auch Hunde anstecken konnten. Schließlich hatte Malachys Herumexperimentieren mit der viralen DNS zu Pias endgültiger Verwandlung geführt. Vielleicht hatte der mutierte Virus einfach eine weitere Transformation durchlaufen.
Keinen dieser Gedanken äußerte ich laut. Genauso wie ich die Frage für mich behielt, warum sich der Virus nicht während des Vollmonds gezeigt hatte, sondern erst jetzt. Meiner Meinung nach war diese Tatsache die seltsamste an der ganzen Geschichte. Aber offenbar wollte niemand
Weitere Kostenlose Bücher