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Wolfslied Roman

Wolfslied Roman

Titel: Wolfslied Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
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immer unausgesprochen und ungelöst zwischen uns gewesen war, es würde nun für immer so bleiben.
    Doch dann weiteten sich seine Pupillen, und er sah mich an. »Was ist passiert?«
    »Sie sind zusammengebrochen und haben zu zittern begonnen«, erklärte Grigore.
    »Wirklich?« Malachy wirkte erstaunt und damit so anders als sonst, dass ich meine Arme um ihn schlang.
    »Alles in Ordnung?«
    Er öffnete den Mund, um mir zu antworten - während ihn schon ein weiterer Anfall erfasste. Ich schob ihm wieder den Stift zwischen die Zähne und hielt ihn fest, während ich besorgt darüber nachdachte, was gerade mit diesem einmalig klaren Verstand geschah. Hoffentlich nichts, was unabänderlich bliebe. Nach einer Minute wurde Malachys Körper dann schlaff, und ich strich ihm die schweißnassen Haare aus der hohen Stirn.
    »Malachy, können Sie mich hören?«
    Er bewegte sich und öffnete die Augen. Auf einmal fuchtelte er mit den Armen, als würde er gegen etwas ankämpfen.
    Ich nahm den Stift aus seinem Mund. »Ganz ruhig, alles ist in Ordnung.«
    Einen kurzen Moment lang sah ich in seinen grünen Augen Unsicherheit aufblitzen. Dann schloss er die Lider. »Ich hoffe«, sagte er, »dass Sie jetzt kein unnötiges Theater um mich veranstalten.« Er schlug die Augen wieder auf und warf einen Blick auf seine Uhr. »Wir müssen in die Praxis zurück und die Medizin fertigstellen, Abra. Offenbar bleibt uns weniger Zeit, als ich angenommen habe.«
    Ach wirklich, dachte ich.

    »Kann ich Ihnen vielleicht beim Aufstehen helfen?«, fragte ich laut.
    »Ich bin noch immer in der Lage, ohne fremde Hilfe aufzustehen. Danke.«
    Ich achtete nicht auf seine schnippische Art und legte ihm meinen Arm um die Taille, um ihm hochzuhelfen. Der Choker um meinen Hals brannte. Doch ich versuchte nicht darauf zu achten - ebenso wenig wie auf das dumpfe Pochen in meinem linken Arm und dem Schnitt, den mir Red während unserer Hochzeitszeremonie verpasst hatte.
    Ich wagte es nicht, die Stelle zu berühren. Denn eines war mir klar. Liebe, Magie und giftiger Efeu hatten eines gemeinsam: Je mehr man an der infizierten Stelle kratzte, desto heftiger juckte sie.

29
    Auf dem Weg zurück in die Tierarztpraxis entdeckten Malachy und ich überall Anzeichen dafür, dass sich nicht nur die Hunde von Northside seltsam aufführten. Ein junger Elch - eine Tierart, die man so weit südlich höchst selten sah - wanderte durch Church Street. Er hielt den Kopf gesenkt, als würde er sich weigern, unsere Anwesenheit zur Kenntnis zu nehmen, bevor er in dem dichten Buschwerk hinter der Aussegnungshalle verschwand.
    Der Mond war am nachmittäglichen Himmel nicht zu sehen. Da ich ihn längere Zeit über sowohl tagsüber als auch nachts in seiner vollen Schönheit hatte bewundern dürfen, fehlte er mir jetzt geradezu - fast wie ein abwesender Geliebter, den man sehnlichst erwartete.
    Red …
    Ich klappte mein Handy auf und wählte seine Nummer. Doch offenbar befand ich mich nicht in Reichweite eines der Funkmasten, denn ich konnte keine Verbindung herstellen.
    Auf einmal hörte ich einen seltsamen Laut, der fast wie spöttisches Gelächter klang. Ich drehte mich um und entdeckte fünf Krähen, die sich mit schweren Flügelschlägen auf dem Boden hinter uns niederließen, wo sie wie Paparazzi
herumhüpften - auf der Lauer nach einem geeigneten Opfer. Ein riesiger Rotschwanzfalke stieß einen heiseren Schrei aus und segelte über die Telefonleitungen hinweg, während ein Truthahngeier auf einem Lattenzaun uns gegenüber landete.
    Ich gab Malachy einen Stoß in die Seite. »Müssen Sie auch an Die Vögel denken? Also - das sieht in meinen Augen verdammt nach Hitchcock aus.«
    »Ich frage mich, welche frisch geschlagene Beute sie wohl erwarten«, erwiderte er trocken. »Hoffentlich sind nicht wir gemeint.«
    Kurz darauf bogen wir in die Main Street ein, wo eine Gruppe von zehn- bis zwölfjährigen Jungen laut lachend und kreischend an uns vorbeirannte. Das wäre nicht weiter ungewöhnlich gewesen, wenn die Kinder nicht mitten im Winter mit nackten Oberkörpern herumgelaufen wären und an einem Seil einen Mann hinter sich hergezogen hätten, der einen Anzug trug und in der Hand einen Aktenkoffer hielt. Nach der ersten Verblüffung erkannte ich in ihm Mr. Glynn, den Rektor der Schule.
    »Kinder«, flehte er. »Kinder, bitte. Begreift ihr denn nicht, dass ihr damit eurer zukünftigen Karriere unglaublich schadet?« Die Drohung schien auf die Jungen keinen großen Eindruck zu machen,

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