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Wolfslied Roman

Wolfslied Roman

Titel: Wolfslied Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
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aber Hollywoods Kunst bestand ja auch darin, die Mythen aus verschiedenen Kulturen miteinander zu vermischen, bis sie in das Bild passten, das in dem jeweiligen Film geschaffen werden sollte.
    Inzwischen glaubte ich an gar nichts mehr. Doch als Kind und Jugendliche hatte ich zumindest an Hollywood-Filme geglaubt, was im Nachhinein betrachtet ein Glück war. Denn so war ich jetzt in der Lage, einfach dem Drehbuch von Vorsicht vor der Katze zu folgen.
    »Wollt ihr mir helfen oder mir schaden? Auf diese Frage möchte ich eine Antwort, und zwar so knapp und präzise wie möglich«, sagte ich.
    »So knapp und präzise wie möglich? Nun gut, in diesem Fall lautet die Antwort, dass ich … dir wirklich helfen will, meine Liebe. Wir gehören alle drei zur fürsorglichen Sorte.«
    Erst jetzt fiel mir ein, dass es besser gewesen wäre, sie zu bitten, so ausführlich und genau wie möglich zu antworten. Irgendjemand musste dringend mal ein Handbuch für den Umgang mit übernatürlichen Wesen verfassen … Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich eine solche Anleitung in gewisser Weise sogar bei mir trug. Und zwar direkt an meinem Körper. Ich fasste nach dem Mondstein unter meinem Pulli.

    Enids Augen wurden schmal, als ob sie sehen konnte, was ich tat. »Was ist das?«, wollte sie wissen.
    Ihre Stimme klang fordernd. Ohne nachzudenken, zog ich den Anhänger aus meinem Pulli und zeigte ihn ihr. Selbst durch die Schutzschicht des Seidenstoffs reizte das Silber noch meine Haut.
    »Nein, so kann ich das nicht sehen. Nimm es ab. Schau mich an. Was glaubst du? Dass ich es dir entreiße und damit abhaue?«
    Zögernd nahm ich die Kette von meinem Hals und reichte sie ihr.
    »Ah«, sagte Enid bewundernd und hob den Mondstein hoch, so dass das Licht vom Fenster aus hindurchschimmerte. Konnte sie den Stein sehen, oder erlaubte ihr eine andere Sinneswahrnehmung, ihn zu betrachten? Ich wollte aber keine weitere Frage verschwenden. Als sie den Anhänger in ihrer Hand hin und her drehte, sah ich, wie sich ein kleiner Regenbogen zwischen uns bildete.
    »Wunderbar. Ganz wunderbar. Las Lagrimas de la Luna . Eine gute Steinqualität und eine herrliche Fassung.«
    Über Geschmack ließ sich eben nicht streiten. »Meine Mutter sagte, er habe meiner Großmutter väterlicherseits gehört.«
    Enid bedachte mich mit einem durchdringenden Blick. Erst jetzt bemerkte ich, dass unterhalb der Oberfläche ihrer milchigen Augen leuchtende Farben funkelten, wie bei dem Mondstein - schillernde Spuren von Blau, Grün und Violett. »Das macht ihn noch wertvoller, nicht wahr? Aber es nützt nichts, wenn du den Anhänger auf Seide trägst. Man muss ihn auf der Haut tragen.« Als sich ihre knochigen Finger um den Stein schlossen, spürte ich einen
Anflug von Panik in mir. »Ich werde dir eine angemessene Bezahlung für den Stein geben.«
    »Er ist nicht zu verkaufen.«
    Ich hatte keine Ahnung, warum mir die Kette auf einmal so viel bedeutete. Jedenfalls streckte ich die Hand aus. »Und jetzt möchte ich ihn wiederhaben.«
    »Warte noch einen Moment, meine Gute. Du weißt ja noch gar nicht, was ich dir dafür geben will. Ich kann deine hübsche Brille mit Kristallen versehen, die dich stets die Dinge so sehen lassen, wie sie sind - und das ohne das unangenehme Jucken und Kratzen, das du bei Silber empfindest.«
    »Nein danke.«
    Eine Brille, die mir den wahren Zustand der Welt zeigte, das klang zwar nicht schlecht, aber selbst wenn ich mein neues Gestell gerne noch mit einigen funkelnden Steinen verziert hätte, so war ich mir doch sicher, dass ich bei einem solchen Geschäft mit der geheimnisvollen Enid vermutlich den Kürzeren zöge.
    »Oder wie wäre es mit etwas, das dir hilft, schwanger zu werden? Ich habe einen Zaubertrank, der selbst eine Urururgroßmutter so fruchtbar wie eine Zwanzigjährige macht«, lockte sie mich.
    Instinktiv legte ich die Hand auf meinen Bauch, der genauso flach war wie immer - sogar noch flacher, dank meiner wilden Wolfstage. »Leider habe ich in dieser Hinsicht ziemlich spezifische Probleme.«
    Enid fasste in ihre Schürzentasche und holte ein kleines altmodisches Fläschchen heraus.
    »Gütiger Himmel, was ist das?«, wollte ich wissen. In der Flasche befand sich eine Art verschrumpelter Homunculus,
der in einer blassgrünen Flüssigkeit schwamm. Er hatte kein Gesicht. Nur sein Mund stand offen und ließ ihn erbärmlich aussehen.
    »Das ist eine Alraunwurzel, gezogen aus dem Samen eines Gehängten. Wie auch immer deine Probleme

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