Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfslied Roman

Wolfslied Roman

Titel: Wolfslied Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
Vom Netzwerk:
eine Strecke gebaut wird, die Tiere für ihre Wanderungen benutzen?«
    Jerome stand auf und legte Kayla ein Trinkgeld auf den Tisch. »Natürlich. Auf einmal kommen haufenweise Elche und Bären in die Stadt.«
    »Genau. Und das wird auch in diesem Fall passieren. Allerdings werden es keine Elche sein. Es wird der Ururgroßvater aller Elche sein.«
    Ich schüttelte verständnislos den Kopf. Jerome verabschiedete sich von uns, und Kayla traf mit unserem Essen ein. Während sie jeden von uns bediente, trat in dem Gespräch eine Pause ein.
    »Sagt mir Bescheid, falls ihr noch etwas braucht«, meinte sie und sah mich an.

    Red versicherte ihr, dass wir das tun würden, und sie ließ uns in Frieden.
    »Weißt du, Doc, das Mädchen möchte das Kriegsbeil zwischen euch begraben«, sagte Red und biss in seinen Burger.
    »Lass es endlich gut sein.« Ich pikste eine Nudel auf und blickte hoch. »Und hör auf, mir ein schlechtes Gewissen zu machen.«
    »Das will ich nicht. Aber was ich nicht verstehe, ist, warum du dich mehr über sie aufzuregen scheinst als über Magda. Ich meine …« Er brach ab, als ich die Forken meiner Gabel auf ihn richtete.
    »Red? Hör auf. Es sei denn, du hast einen triftigen Grund, dir solche Gedanken um Kayla zu machen.«
    Ich konnte meine Antipathie gegen Kayla nicht rational erklären. Vielleicht lag es daran, dass sie mich an jedes beliebte Mädchen erinnerte, dem ich jemals in der Highschool und auf dem College begegnet war. Oder vielleicht war es auch einfacher und weniger gefährlich als bei Magda, sie so offen abzulehnen. Bei Kayla drohte nicht die Gefahr, dass sie mir wortwörtlich an die Gurgel ging. Was auch immer dahinterstecken mochte - ich hatte jedenfalls keine Lust, meine Beweggründe näher zu analysieren.
    »Jetzt warte mal einen Moment, Doc. Ich wollte doch nur …«
    »Ich würde vorschlagen, Sie befolgen Abras Ratschlag«, mischte sich Malachy ein. »Sonst haben Sie neben Ihren Bisswunden bald auch noch Gabelstiche, die sich entzünden könnten.« Er holte das Fläschchen mit den mysteriösen Pillen heraus und griff nach seinem Glas Wasser. »Also … Sie meinten, dass die Tiere in den alten Indianergeschichten alle Manitus gewesen wären, nicht wahr?«

    »Genau.«
    »Soweit ich mich erinnere, sind Rabe, Bär, Kojote und die anderen doch immer hungrig.« Malachy schüttete zwei Kapseln in seine Hand. »Wenn das stimmt, wovon ernähren sich dann diese Geisterwesen, wenn sie in unsere Welt kommen?«
    »Von Opfern«, antwortete Red schlicht.
    Manchmal vergaß ich, dass er nicht nur ein netter, gutherziger Mann war, sondern sehr wohl wusste, wie die Welt funktionierte. Es gehörte nur zu seinen vielen Verkleidungen, so zu tun, als wäre er ein naiver Bursche vom Lande.
    Nach dieser Geschichte verspürte keiner von uns mehr großen Hunger. Kayla erkundigte sich besorgt, ob alles in Ordnung gewesen sei, als sie unsere Teller abräumte, und ich ließ ihr über Red versichern, dass das Essen wie immer ausgezeichnet geschmeckt hätte.
    Ich bemühte mich um ein gequältes Lächeln und fügte noch weitere fünf Prozent zu ihrem Trinkgeld hinzu, um so meinen Wunsch wiedergutzumachen, dass die Pest sie holen solle.

6
    Ehe ich aufs Land zog, dachte ich immer, dass es auf der einen Seite von Menschen hergestellte Dinge wie Wolkenkratzer, Autos und Asphaltstraßen und auf der anderen die Natur gäbe, was mehr oder weniger jeden Ort mit Gras und ein paar Bäumen umfasste. Reds frühere Freundin Jackie hatte mich jedoch bald eines Besseren belehrt.
    »Die Landschaft um uns herum ist inzwischen genauso natürlich wie meine Haare«, hatte sie erklärt und auf ihre blondierten herausgewachsenen Dauerwellen gezeigt. »Sie wurde in den letzten vierhundert Jahren immer wieder so von Menschen missbraucht und misshandelt, dass sie jetzt etwa weitere vierhundert Jahre bräuchte, um sich davon zu erholen. So wie meine Haare.«
    Doch die Natur kann sich einen Landstrich zurückerobern, wenn man sie nur lässt. Und genau das tat Jackie mit ihrem eigenen Land. Deshalb stieß ich nun auch ein leises Stoßgebet aus, als ich im ersten Gang den steilen Weg zu ihrem Trailer hochfuhr. Nachdem ich etwa drei Viertel der Strecke zurückgelegt hatte, wurde es noch schlimmer. Dann verwandelte sich die unbefestigte Straße nämlich in eine eisige Rutschpartie. Hier oben schmolzen Eis und Schnee nie vor Ende April oder Anfang Mai.

    Als ich die Spitze des Berges schließlich erreichte, hatten sich Jackies Wolfshybriden

Weitere Kostenlose Bücher