Wolfslied Roman
zuvor sowohl seiner Karriere als auch seinem Leben ein Ende gesetzt hatte, nach der Beschwerde eines Gastes über seinen Kalbsbraten.
Red bevorzugte allerdings ohnehin das Moondoggie’s , das auch von den meisten anderen Einwohnern am liebsten aufgesucht wurde. Hierher kam man, um Bands aus der Gegend zu hören, während man riesige Portionen Spareribs oder Lasagne verputzte. Es gab zwei Bereiche - einen für Familien mit kleinen Kindern und einen für Leute, die einen Pritschenwagen fuhren oder mit einer Harley dahergedonnert kamen. Im Moondoggie’s war man ausgesprochen tolerant, wenn es um den Lärm- und den Alkoholpegel ging. Falls gelegentlich eines der Calder-Kinder einen Tobsuchtsanfall bekam, wussten die Bedienungen, wie sie damit umgehen mussten. Und wenn einer der Biker seiner Begeisterung für eine Band etwas zu laut Ausdruck verlieh, tauchte wie aus dem Nichts ein Teller mit Tortillachips und einer scharfen Chilisauce auf, so dass der Kerl nicht anders konnte, als sich einen Chip nach dem anderen in den Mund zu stecken, bis die Musik vorüber war.
Außer der Tatsache, dass Hunter hier der hübschen blonden Kellnerin Kayla begegnet war, hatte auch ich nichts gegen das Moondoggie’s einzuwenden. Zumindest mochte Kayla Hunter inzwischen genauso wenig wie ich, und außerdem arbeitete sie meist auf der anderen Seite der Bar, wo wir uns selten aufhielten.
Also gingen wir ins Moondoggie’s.
»Ich begreife das nicht«, sagte Malachy, während er das gekühlte Glas Guinness begutachtete, das vor ihm stand. »Warum behandeln Amerikaner Bier so, als wäre es irgendeine Limonade?«
Red sah sich nach dem Jungen um, der uns die Getränke gebracht hatte. Das Lokal war brechend voll. Es ging ziemlich hoch her, da immer wieder neue Leute eintrafen, ihre Freunde suchten und sich dann lautstark begrüßten. Die Bedienungen wirkten erschöpft und leicht gereizt. Ich vermutete, dass einer der Köche zum ungünstigsten Zeitpunkt eine Rauchpause eingelegt hatte und nun niemand mehr hinterherkam.
»Falls Kayla für die Getränke verantwortlich ist, können Sie sich glücklich schätzen, dass sie Ihnen das Bier nicht mit einem Strohhalm servieren ließ«, erklärte ich Malachy.
»Ist das nicht etwas unfair?« Red lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Er wirkte sichtbar entspannter, seitdem er die Blockhütte verlassen hatte. Der Verband um seinen rechten Arm wurde von einem dunkelblauen Pulli verdeckt, und er hatte sich sogar die Mühe gemacht, etwas von einem angenehm zurückhaltenden Aftershave aufzulegen.
Ich hatte gerade einen bissigen Kommentar loslassen wollen, als ich den holzigen Duft wahrnahm. Red hatte noch nie zuvor ein Aftershave getragen. Es gefiel mir. Was auch immer es sein mochte, ich hätte am liebsten meine Nase an seine Haut gehalten und tief eingeatmet.
»Was ist denn jetzt los?«, fragte er ein wenig gereizt. »Du siehst mich so seltsam an. Hab ich noch immer Blut an mir oder was?«
»Nein, ganz und gar nicht. Ich habe mir nur gerade gedacht, wie angenehm du nach Aftershave duftest.«
Red sah mich verblüfft an. »Liebling, du weißt doch, dass ich nichts Chemisches an mich ranlasse.«
»Aber du riechst eindeutig anders als sonst. Malachy, können Sie es nicht auch riechen?«
Mein Chef zog seine Augenbraue um etwa einen Millimeter in die Höhe. »Sie verlangen doch wohl nicht, dass ich Red beschnuppere, um Ihnen zu sagen, ob sich sein Geruch verändert hat? Nein? Dachte ich mir fast … Red, bitte erzählen Sie jetzt doch endlich die Geschichte über den Manitu weiter.«
Red legte seinen Arm auf meine Stuhllehne. »Also gut. Ich bin heute zu diesem Mann gefahren, um ihn von dem zu befreien, was schon seit einiger Zeit in seinen Wänden sein Unwesen treiben soll. Der Kerl war der typische Stadtmensch - Ende vierzig, irgendein hohes Managertier, der sich vor ein paar Monaten ein Stück Land in der Nähe des Old Scolder Mountain gekauft hat.«
Seine Stimme klang giftig, als er den Mann schilderte. Im vergangenen Sommer hatte der Bauunternehmer J. B. Malveaux die Stadt davon überzeugt, dass ein paar Dutzend Protzhäuser um den höchsten Berg der Gegend herum die Schönheit der Landschaft nicht zerstören würden. Red hatte sich lautstark dagegen eingesetzt, war zu Gemeindesitzungen gegangen und hatte versucht, die Leute auf die schlimmen Auswirkungen auf die Natur hinzuweisen. Doch der Bürgermeister von Northside beschloss, keinen solchen Umweltblödsinn gelten zu lassen, wie er das nannte.
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