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Wolfslied Roman

Wolfslied Roman

Titel: Wolfslied Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
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Farm‹ aus - es war ein Look, den er bewusst kultivierte, denn eigentlich war er früher ein großes Tier an der Wall Street gewesen.
    »Sorry, Red«, entschuldigte er sich. »Ich hab nur zufällig gehört, was du da erzählt hast. Es war doch ein Eichhörnchen, oder?«
    »Nein, war es nicht. Aber du hast ganz Recht, Jerome. Ich hatte tatsächlich erwartet, ein Eichhörnchen zu finden.
Vielleicht auch einen Waschbär. Die sind viel größer, als ein Städter vermutet.«
    Wie viele Bekehrte hegte auch Jerome große Vorurteile gegen die Gruppe, die er verlassen hatte. Viele Leute, wie ich im Laufe meiner Zeit hier erfuhr, hatten in der ersten Zeit, nachdem sie hierhergezogen waren, noch keine Ahnung, dass Northside genau das für das Übernatürliche darstellte, was Saratoga Springs für Pferderennen bedeutete. Aber nach einigen Jahren in der Gegend hatten sich selbst gewöhnliche Sterbliche an die örtlichen Gepflogenheiten gewöhnt.
    »Also«, sagte Jerome und schob seine Daumen in die Schlaufen seines Gürtels. »Was hast du dann im Keller dieser Typen gefunden?«
    »Na ja, ich bin nach unten gegangen, um den Kriechkeller zu kontrollieren, und tatsächlich war da etwas in der Dunkelheit, das mich mit rotglühenden Augen anstarrte. Ich wusste sofort, dass es einer der Alten war. Eher klein und mehr ein Schatten als ein Körper, aber so alt wie die Hügel und zweimal so stark.«
    Ich brach ein Stück von dem Weißbrot ab, das in einem Korb auf dem Tisch stand, und schob es mir in den Mund. Irgendwie kam es mir seltsam vor, dass Red diese Geschichte vor Jerome und Malachy erzählte. Es war nicht das erste Mal, dass er einem Wesen begegnet war, das man in keinem Artenbestimmungsbuch findet. Doch bisher hatte er diesen Teil seiner Arbeit nur vor mir und seiner früheren Freundin Jackie zugegeben, die in einem Trailer ein paar Meilen von uns entfernt wohnte. Malachy mochte vielleicht noch bereit sein, an bizarre Viren und dreiäugige Reptilien zu glauben, aber das war etwas ganz anderes. Viren und Ähnliches
waren schließlich wissenschaftliche Phänomene, die nur wie Mythen klangen.
    Was Jerome betraf, so fand er seine neue Heimat normalerweise einfach nur etwas eigentümlich. Doch Red erzählte da eine Geschichte, die nicht bloß etwas seltsam verrückt klang, sondern dem Wort ›sonderbar‹ seine ursprüngliche Bedeutung zurückgab. Es ging um eine unheimliche Begegnung, die nicht von dieser Welt war.
    Zu meiner großen Verblüffung zuckte keiner der beiden Männer auch nur mit der Wimper.
    »Weißt du, ich habe erst vor kurzem etwas Seltsames durch meinen Garten laufen sehen«, bemerkte Jerome gelassen. »Für einen Moment dachte ich schon, ich würde verrückt werden, denn ich war mir absolut nicht sicher, ob es sich da um einen Menschen oder ein Tier handelte.«
    »Das könnte ein Therianthrop gewesen sein«, erklärte Malachy dem älteren Mann. Red zog seine Augenbrauen hoch, woraufhin er noch rasch hinzufügte: »Ein Gestaltwandler.«
    Jerome richtete sich zu seiner vollen Größe auf. »Glauben Sie, ich wüsste nicht, wie ein Gestaltwandler aussieht? Wofür halten Sie mich? Für grün hinter den Ohren? Das war kein Gestaltwandler. Garantiert nicht.«
    Kayla kam mit seiner Rechnung, und er zog einen Geldbeutel aus der Tasche.
    »Wandler und Wer-Menschen tragen einen großen Anteil an Menschlichem in sich. Was ich da gesehen habe, hatte aber nichts mit einem Menschen zu tun«, sagte Red. »Ich glaube, dass es zwei Gesichter hatte - so wie diese Tintenflecken, die von einem gewissen Blickwinkel aus wie ein Fuchs und von einem anderen wie ein Mann aussehen.«

    »Du meinst diese Rorschach-Tests? Aber wenn es sich um ein Schattenwesen, eine Art Geist gehandelt hat, wieso hat es dann so etwas gemacht?« Ich wies mit dem Kopf auf seinen verletzten Arm.
    Red zögerte. »Nur in der Geisterwelt ist es auch ein Geisterwesen«, antwortete er nach einem Augenblick des Nachdenkens. »Doch jetzt hält es sich in unserer Welt auf.« Gedankenverloren zog er den Aufkleber von seiner Bierflasche. »Was mir aber noch mehr Sorgen macht, ist die Tatsache, dass es viel mehr von ihnen gibt, dort wo der herkam.«
    Ich beugte mich zu ihm. »Was meinst du damit?«.
    »Diese neuen Häuser um den Old Scolder Mountain stehen teilweise auf einem heiligen Jagdgrund. Solange man zurückdenken kann, hat es dort oben nie von Menschen angelegte Straßen gegeben - nur Tierpfade und Geisterwege. Ihr wisst doch, was passiert, wenn eine Straße über

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