Wolfslied Roman
Warum?«
Malachy öffnete den Verschluss und nahm sie an sich. »Weil Sie auf das Silber allergisch reagieren. Wussten Sie, dass Sie eine Silberallergie haben?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Red hätte Ihnen das sagen sollen.«
Ich sah Red an.
»Zum Teufel, Doc. Ich hatte keine Ahnung.«
Malachy wirkte verärgert. »Die hätten Sie aber haben sollen. Na, auch egal«, unterbrach er Red, ehe dieser etwas erwidern konnte. »Wie geht es Ihnen jetzt, Abra? Irgendwelche Schmerzen?«
»Nicht am Hals. Was mir wirklich verdammt wehtut, ist mein Bein. Das rechte Schienbein, um genau zu sein.«
»Wie sehr schmerzt es - auf einer Skala von eins bis zehn?«
»Acht. Oder neun vielleicht. Ich wurde von einem Bären angegriffen.« Ich sah zu Red hinüber. »Wobei er kein richtiger Bär war.«
Er streichelte meine Hand. »Ich habe seine Spuren gesehen.« Er schenkte mir ein schiefes Lächeln. »Beide Sorten.«
»Wenn ich ehrlich bin, habe ich dir vorher nicht geglaubt. Jedenfalls nicht so richtig.«
Tränen traten mir in die Augen. In diesem Moment fühlte ich mich so schwach, dass ich endlich nicht mehr meine Beziehung zu Red infrage stellen wollte. Ich wollte ihn als einen zuverlässigen Partner an meiner Seite wissen.
Zärtlich drückte er meine Hand. »Ziemlich viel auf einmal - was, Doc?« Seine haselnussbraunen Augen betrachteten mich wissend und ein wenig traurig. Ich versuchte gerade herauszufinden, was dieser Blick bedeuten mochte,
als Malachy meinen rechten Knöchel berührte und ich vor Schmerz einen Schrei ausstieß.
»Ich muss Ihre Jeans aufschneiden.«
»Okay.«
Red trat an das Kopfende des OP-Tischs, um meinem Chef Platz zu machen. Als meine Wade dann freigelegt war, hielt ich entsetzt einen Augenblick lang die Luft an. Ein Stück Knochen - vermutlich das Schienbein - ragte aus einem kleinen Loch heraus. Ein offener Bruch.
»Wir müssen das als Erstes einmal röntgen«, erklärte Malachy und sah mich an. »Ein CT wäre natürlich ideal, aber für den Moment muss das Röntgen reichen. Allerdings muss ich erst wissen, ob die Wahrscheinlichkeit besteht, dass Sie schwanger sind.«
»Ich bin nicht schwanger«, erwiderte ich ein wenig bitter. Red warf mir einen seltsamen Blick zu, den ich jedoch ignorierte, da Malachy gerade den Bund meiner Jeans durchschnitt. Darunter kamen eine ausgewaschene blaue Unterhose und ein winterweißer Bauch zum Vorschein.
»He, wie wäre es mit einer Decke?«, fragte ich.
»Gütiger Himmel.« Malachy seufzte. »Red, könnten Sie mir eine der dünnen Decken aus dem Schrank dort drüben holen? Aus dem rechten da … Danke.« Nachdem er die Decke auf mich gelegt hatte, meinte er: »Sind Sie denn in puncto Nacktheit noch nicht lockerer geworden? Ich habe festgestellt, dass die meisten Werwölfe einen animalischeren Bezug zu ihrem Körper entwickeln.«
»Ich bin noch immer eher eine Frau als ein Tier. Also hören Sie mit Ihren Sticheleien auf, Chef. Außerdem will ich auf der Stelle ein Schmerzmittel. Wann spritzen Sie mir denn endlich Morphin?«
Malachy massierte angestrengt seine Schläfen. »Wir haben jetzt wirklich keine Zeit für solche Debatten. Aber bitte … Was ist die bekannteste Nebenwirkung von Morphin auf Hunde und Wölfe?«
»Übelkeit und Erbrechen«, sagte ich langsam. Allmählich begriff ich, dass Malachys Bemerkung über die FKK-Tendenzen von Werwölfen nicht nur als ein dämlicher Scherz gemeint war. »Was können Sie mir noch über meine Krankheit sagen?«, wollte ich wissen, denn ganz offenbar wusste mein Chef mehr über den Virus, als ich das tat.
»Das kann doch wohl nicht wahr sein. Haben Sie denn überhaupt keine Ahnung, was diese Krankheit für Sie bedeutet?« Malachy sah Red fragend an. »Haben Sie ihr noch gar nichts erklärt, Red?«
Dieser lief erneut rot an. »Ich bin der Kerl, den man anruft, wenn man Schädlinge loswerden will. Schon vergessen? Ich habe aber nicht den blassesten Schimmer, weshalb man ihr kein Morphin geben kann. Und da ich persönlich nicht unbedingt auf den Gangsta-Stil mit dicken Ketten stehe, war mir auch nicht klar, dass etwas gegen Silber sprechen könnte. Ich wusste nur, dass es nicht allzu gesund ist, das Zeug als Kugel in den Bauch zu bekommen.«
Malachy schob eine fotografische Platte unter meine Wade, was mich erneut aufschreien ließ. »Verstehe. Dann fangen wir also mal ganz von vorne an. Ihr wisst, dass Theriomorphismus oder Tiergestaltigkeit durch einen seltenen Virus ausgelöst wird, dessen bekannteste
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