Wolfslied Roman
gewisser Weise wünschte auch ich mir, einen zu haben. Denn so sah mein Bein schrecklich verletzlich aus.
Red trat zu mir. »Wie stark sind die Schmerzen?«, wollte er wissen.
»Es pocht.«
Er wickelte den Verband auf, verließ dann kurz das Zimmer und kehrte mit einem Weckglas zurück, in dem sich eine hellgelbe Substanz befand.
»Was ist das?«
»Eine besondere Salbe. Nach dem Rezept meines Großvaters.«
Er hob das verletzte Bein vorsichtig an und setzte sich aufs Sofa, wobei er meinen Fuß behutsam auf seinen Schenkel stellte. Dann tunkte er zwei Finger in die Salbe und rieb damit in langsamen Kreisbewegungen meinen Fuß und meinen Knöchel ein. Die Salbe roch nach Minze und Lavendel,
und meine Haut begann angenehm zu prickeln. Mich massierend, murmelte Red leise etwas vor sich hin, das nicht Englisch war - wie ich nach einem Augenblick merkte.
Als der Schmerz in meiner Wade allmählich nachließ, wanderten seine Finger weiter nach oben in die Richtung meines Schenkels. Eine wohlige Wärme breitete sich in mir aus, und schon bald wünschte ich mir, dass er sich auch das andere Bein vornehmen möge.
»Wow, das tut aber gut. Warum hast du das letztes Jahr denn nicht bei meinen Verbrennungen benutzt?«
»Damals hatte ich keine Salbe mehr übrig.«
Mühsam versuchte ich meine Augen offen zu halten, während Red mehr Salbe nahm und auch diese in meine Haut einzureiben begann. »Und weshalb hast du es nicht für deine eigene Manitu-Verletzung genommen?«
»Es hat nicht dieselbe Wirkung, wenn man sich selbst damit eincremt.«
Neugierig sah ich ihn an. »Woraus besteht die Salbe eigentlich?«
»Aus ausgelassenem Bärenfett.«
Ruckartig setzte ich mich auf. »Igitt! Bitte sag, dass das ein Witz ist!«
»Und einigen Kräutern und Pulvern.«
»Ich glaube, das reicht jetzt.« Ich schob seine Hände fort und deckte mich wieder zu. »Von Bären und ihren Berührungen habe ich für den Moment genug.«
Einen Augenblick lang rührte sich Red nicht von der Stelle. Ich versuchte das warme Prickeln im unteren Bereich meines Körpers zu ignorieren. Irgendwie hegte ich den dringenden Verdacht, dass diese Salbe mehr als nur
eine rein heilende Wirkung haben sollte. »Ist das auch eine Art Aphrodisiakum?«, wollte ich wissen.
Red musste lachen. »Nein«, sagte er und funkelte mich belustigt an. »Aber es freut mich zu hören, dass ich offenbar noch eine … Wirkung habe.«
Unter meinem Fuß, der noch immer auf seinem Oberschenkel lag, konnte ich spüren, dass auch er nicht ganz kalt geblieben war.
»Ich dachte, du könntest meine Reaktion auf dich riechen.«
Kurz schloss er die Augen. Ich überlegte, ob er nachdachte oder etwas vor mir verbergen wollte.
»Das weißt du doch«, sagte er schließlich.
»Dann kann ich also nichts vor dir verbergen.«
Red blickte mich aufmerksam an. »Abra«, sagte er, und Sehnsucht und Hoffnung klangen in seiner Stimme an. Mein Bedürfnis, mich ihm hinzugeben, war beinahe überwältigend. In einem ihrer Filme - keine Ahnung mehr, in welchem - erklärt meine Mutter, die Tugend der Frauen bestünde darin, der ersten Intimität zu widerstehen. Sobald diese Grenze jedoch überschritten sei, würden Frauen immer wieder dazu gebracht werden, sich bedingungslos hinzugeben.
Ich war kurz davor, den Kopf ein wenig mehr zu drehen, um meinen Mund auf den von Red zu drücken, als seine Hand mein verletztes Bein berührte und mich erneut ein Schmerz durchschoss. Mit einem Schlag kam ich wieder zu mir.
»Du hast einiges vor mir verschwiegen, Red«, sagte ich vorwurfsvoll. »Wie zum Beispiel die Tatsache, dass ich als Werwolf läufig werde.«
Er holte tief Atem und stieß dann einen langen Seufzer aus. »Ich wollte es dir ja sagen. Aber erst, wenn ich mir wirklich sicher sein kann. Auch jetzt bist du noch nicht ganz läufig. Das dauert noch eine Weile.«
»Verdammt! Das darf doch nicht wahr sein! Du lügst mich noch immer an. Du hast versucht, mich zu schwängern. Gib es zu, Red!«
Als wir uns das letzte Mal über Verhütung unterhalten hatten, war Red in seiner Versicherung ganz eindeutig gewesen, dass ich mir keine Sorgen darum machen müsste, wenn wir unsere Wolfsgestalten hätten. Ihm zufolge wurde eine Wölfin nämlich nur dann trächtig, wenn sie ihre Brunftzeit hatte. Ich nahm nicht die Pille, da ich dadurch Migräne bekam. Also benutzten wir entweder Kondome oder mein Diaphragma, wenn wir Menschen waren - und nichts, wenn wir auf vier Beinen die Welt unsicher machten.
»Du wolltest
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