Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfslied Roman

Wolfslied Roman

Titel: Wolfslied Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
Vom Netzwerk:
gerettet. Ihr Holz wiederum hatte man dazu verwendet, unsere Nation aufzubauen. Dennoch wussten heutzutage die wenigsten überhaupt von der Existenz dieses Baumes.
    Einige Kastanienwurzeln hatten das große Sterben überlebt. Manchmal zeigte sich noch ein kleiner Sprössling im Waldboden. Doch ohne einen weiteren Baum, mit dem er
sich befruchten konnte, waren diese jungen Pflanzen zu schwach, um zu blühen.
    All das bedeutete, dass diese majestätischen Bäume, die ich hier sah, nicht real sein konnten. Zudem hätte ich sie ohne Brille gar nicht gesehen, selbst wenn sie tatsächlich existierten. Ohne Brille war ich gerade noch in der Lage, das zu sehen, was sich direkt vor meiner Nase abspielte. Sonst gar nichts.
    Noch verängstigter als zuvor schon in der Gegenwart des Bären zog ich erneut voller Panik mein Handy heraus. Doch das Display zeigte mir nur, was ich ohnehin schon wusste: Auch hier gab es keinen Empfang.
    Plötzlich tauchte eine alte Erinnerung vor meinem inneren Auge auf. Ich musste etwa zwölf Jahre alt gewesen und ins Zimmer meiner Mutter gestolpert sein, da der Boden unter mir zu schaukeln begonnen hatte. Entsetzt fragte mich meine Mutter, ob ich etwa diese bunten kleinen Pillen verschluckt hätte, die auf dem Küchentisch gelegen hatten.
    Irgendwie hatte ich doch auch jetzt die Realität hinter mir gelassen und mich an einem Ort verloren, wo keine Regeln, keine Logik und auch sonst nichts existierte, das mir hätte Sicherheit verschaffen können. Um mich herum begann es wieder zu schneien, was mich mehr als alles andere hätte alarmieren müssen.
    Doch stattdessen ließ mich der sanft rieselnde Schnee in einen tiefen Schlaf sinken.

12
    » Sie scheint zu sich zu kommen.«
    Ich blinzelte, und für einen Moment glaubte ich, die Welt durch den Mondstein meiner Mutter zu betrachten. Alles sah blass und verschwommen aus und hatte einen bläulichen Schimmer. Dann rückte jemand die Lampe über mir zurecht, und meine Sicht wurde klarer. Red und Malachy beugten sich über mich. Ich lag auf einem OP-Tisch. Wir befanden uns in einem der Untersuchungszimmer unserer Praxis, die wir für große Hunde wie Mastiffs und Wolfshunde verwendeten.
    »Was ist passiert?« Mühsam versuchte ich mich aufzusetzen.
    Beruhigend legte Red seine Hand auf meine Schulter. »Ganz langsam. Noch solltest du dich nicht bewegen.«
    »Was ist los?«
    Mein rechtes Bein pochte heftig. Die Schmerzen schienen gemeinsam mit meinem Bewusstsein zum Leben zu erwachen.
    Red strich mir über den Kopf. »Du hattest einen Unfall - auf dem Weg von deiner Mutter zurück hierher.«
    Oh Gott. Der Wald. Der Bär.
    »Wie habt ihr mich gefunden?«

    Reds Mund verzog sich zwar zu einem Lächeln, doch das Lächeln erreichte seine Augen nicht. »Ich habe dich gesucht und zum Glück auch gefunden.«
    Filme mit Untertiteln oder Museumsbesuche konnte ich getrost vergessen. Manchmal war es mehr von Vorteil, einen Mann mit Hinterwäldlereigenschaften zu haben.
    »Bin ich ohnmächtig gewesen? Das Letzte, woran ich mich erinnern kann, ist, wie ich auf einen Hügel gekrochen bin und dort oben losgeheult habe.«
    Red und Malachy sahen sich an. Mein Chef trug seinen weißen Arztkittel und sah nun noch dünner aus als sonst schon.
    »Du bist eine ganze Weile bewusstlos gewesen, Doc«, sagte Red. »Wir schafften es nicht, dich aufzuwecken, weshalb Malachy dir auch eine kleine Aufmunterungsspritze gegeben hat.« Er legte seine Hand auf meine Stirn und strich mir die Haare aus den Augen. »Es tut mir leid, dass ich so lange gebraucht habe, dich zu finden. Zuerst habe ich gar nicht gewusst, dass du vermisst wirst. Ich hatte angenommen, dass du dir bei deiner Mutter mehr Zeit lässt als sonst, und da wollte ich dich nicht drängen.«
    Ich versuchte meine Brille hochzuschieben, als ich merkte, dass sie mir gar nicht auf der Nase saß. »Wie lange hast du gebraucht, um mich zu finden?«
    Wieder warf Red Malachy einen Blick zu. »Du bist eine Woche lang verschwunden gewesen, Doc.«
    »Was?« Fassungslos starrte ich in sein Gesicht, das noch immer leicht verschwommen wirkte.
    »Bis zum zweiten Abend habe ich mir eigentlich keine Sorgen um dich gemacht. Doch dann rief Malachy an und wollte wissen, wo du wärst.«

    »Ich bin also eine Woche lang im Wald verschwunden gewesen?«
    Red fasste nach meiner Hand. Ich hatte ganz vergessen, wie beruhigend seine Berührungen sein konnten. »Wenn du einfach nur im Wald verschwunden gewesen wärst, hätte ich deine Fährte problemlos

Weitere Kostenlose Bücher