Wolfslied Roman
dich bedrückt?« Er rieb sein Kinn an meiner Wange.
»Magda meint, ich werde niemals ein Kind haben.« Meine Stimme war kaum zu hören, so leise flüsterte ich. Aber ich wusste, dass Red mich trotzdem verstand. »Selbst wenn ich schwanger werden sollte, würde ich es wieder verlieren. Das hat sie gesagt.«
Red stützte sich mit einem Ellbogen auf dem Sofa ab. Ich warf einen Blick über meine Schulter, da er hinter mir lag, und versuchte seine Miene zu deuten.
»Nun, das mag Magdas Meinung sein. Aber das muss nicht heißen, dass das auch stimmt. Ich glaube zum Beispiel etwas ganz anderes.«
»Meinst du, sie irrt sich? Willst du damit sagen, dass sie mir das nur unter die Nase gerieben hat, um mich zu verletzen?«
Red schwieg einen Augenblick. Offenbar suchte er nach
den richtigen Worten. Ich fühlte mich auf einmal so deprimiert, dass ich kaum mehr folgen konnte. »Sie irrt sich nicht unbedingt, was die Fakten betrifft. Aber offenbar hat sie die spezielle Situation nicht in Betracht gezogen. Natürlich hat man in einem großen Rudel nur ein Weibchen, das trächtig werden und werfen kann. Aber selbst wenn Magda teilweise das Territorium mit dir teilt, gehört sie doch nicht zum gleichen Rudel wie du. Letztlich geht es ja um das, was du tief in deinem Inneren spürst - und um nichts anderes.«
Ich setzte mich auf. Meine Wade pochte wieder. »Was willst du damit sagen? Dass wir es einfach versuchen sollten, und wenn es zu einer Scheinschwangerschaft kommt, dann ist das eben so? Falls ich jedoch tatsächlich schwanger werde, dann muss ich das eben … Wie heißt das bei Hunden? Resorbieren?«
Meine Stimme wurde schriller, je wütender und verängstigter ich mich fühlte. Insgeheim wusste ich, dass ich mich nicht fair verhielt, sondern mich an Red abreagierte. In ein oder zwei Stunden würde ich mich bestimmt für meinen Ausbruch entschuldigen. Aber jetzt noch nicht.
Er setzte sich auf und legte seine raue Handfläche auf meine Wange. Seine warmen braunen Augen wirkten freundlich und ein wenig traurig, als er mit dem Daumen meine Tränen wegwischte. »Jeder, der versucht, ein Kind zu bekommen, geht ein gewisses Risiko ein, Doc. Man weiß nie, wie lange es dauert, bis es klappt, und auch nicht, was alles schiefgehen kann. Man muss einfach vertrauen und hoffen. Und sich lieben«, fügte er hinzu und streichelte mich.
Ich schlug seine Hand fort. »Oh nein, so einfach ist das nicht! Wir haben es hier mit keiner typischen Situation zu
tun, die auf jeden zutrifft, Red. Hör auf, das schönreden zu wollen!«
Er sah aus, als wollte er etwas erwidern, entschied sich dann aber offensichtlich dagegen. »Momentan bist du offensichtlich sehr aufgewühlt«, sagte er stattdessen. »Wie wäre es, wenn wir später weiterreden und ich dir jetzt erstmal eine schöne heiße Tasse Tee mit Honig mache?«
Damit ging er in die Küche, füllte den Wasserkocher auf und stellte ihn auf den Gasherd.
»Ich will keinen Tee!«, rief ich ihm hinterher. »Ich will, dass wir uns der Tatsache stellen, dass du offenbar eine Familie gründen möchtest. Und so wie es scheint, wird das mit mir nicht gelingen.«
Red betrachtete den Wasserkocher, als hätte er vergessen, wofür der eigentlich da war. Dann drehte er sich zu mir um. »Ich liebe dich, Abra. Nichts ist mir wichtiger, als mit dir zusammen zu sein. Du … du bist meine Familie. Du bist mein Rudel. Nur das zählt.«
»Aber du willst, dass ich von dir schwanger werde!«, bohrte ich hartnäckig nach.
Er sah mich an. Seine braunen Augen waren dunkler, als ich sie jemals erlebt hatte. Dann nickte er. »Ja«, erwiderte er ernst. »Das will ich. Und zwar mit allen Fasern meines Körpers.«
Einen Moment lang herrschte Schweigen, während wir beide darauf warteten, was ich als Nächstes sagen würde. Das Feuer im Kamin knackte und versprühte Funken. »Hängt dann alles von mir ab? Wie sehr ich ein Alphatier bin?«
Red hielt die Augen auf mich gerichtet. »Nein.« Dann fügte er hinzu: »Wenn das Männchen stark genug ist, kann das auch so funktionieren.«
Ich dachte an jene Nacht, an die ich mich nicht erinnern konnte. Jetzt wusste ich, was mich an Reds Überschwänglichkeit damals so irritiert hatte. Es lag nicht nur daran, dass er mich nicht vorher mit Worten um Erlaubnis gefragt hatte - wie etwa: »Wäre es dir recht, Liebling, wenn wir dich mal kurz schwängern würden?« Es war vielmehr die Tatsache, dass er glaubte, mich in eine Schwangerschaft tricksen zu müssen, und offenbar
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