Wolfslied Roman
darf dir eigentlich nichts von alldem erzählen. Ich gehöre zu einer Gruppe, den sogenannten Disziplinierten, die ihre Methoden ungern einem Außenstehenden verraten.«
Etwas an Lillianas Erzählung kam mir seltsam vor - dass sie von einer Gruppe sprach, der sie angehörte, und von
mehreren Leuten, die darin verwickelt zu sein schienen. Gleichzeitig hatte ich den Eindruck, als ließe sie einen wesentlichen Teil aus. Doch es fiel mir immer schwerer, einem logischen Gedankengang zu folgen. Draußen ging allmählich die Sonne unter, und die Rücklichter der Wagen vor uns leuchteten wie helle Nachtsichtaugen.
Selbst in der Dämmerung und bei dieser Geschwindigkeit vermochte ich das Leben um uns herum zu spüren: die Rehe, die am Rand eines Vorstadtgartens warteten; ein wohlgenährter Waschbär, der hinter einem Restaurant gerade die Mülltonne durchsuchte; ein Fuchs, der seinen Bau in einem leerstehenden Bürogebäude auf der anderen Seite des Highways vorsichtig verließ.
»Abra?«
Ich starrte weiter aus dem Fenster, fasziniert von der ruhelosen Präsenz der zahllosen kleinen Tiere am Rand der Straße. Dann fuhren wir an den Vorstädten von Manhattan vorüber, und es gab nichts mehr außer Straßen, Autos und dem riesigen leuchtenden Pfirsich am Himmel, der unseren Weg in die Wildnis erhellte.
»Abs?« Lilliana legte mir die Hand auf die Stirn. Verärgert stieß ich sie von mir. Ich hasste diese weichen weiblichen Finger. Es war eine ganz andere Art der Berührung, nach der es mich verlangte. »Alles in Ordnung?«
»Ja, ja, natürlich. Kannst du das nicht erfühlen ?«, fragte ich sarkastischer, als ich es eigentlich beabsichtigt hatte.
Aber genau das war das Problem mit diesem Weibervolk. Es rückte einem auf die Pelle und steckte seine Nase in Angelegenheiten, die es nichts anging. Weiber … ständig am Winseln, immer dabei zu versuchen, sich lieb Kind zu machen. Außer natürlich den fiesen Miststücken. Solchen
Miststücken wie Magda, die einen jederzeit aus dem Hinterhalt angreifen können und denen man nur beikommen kann, indem man zuerst zubeißt.
»Abra, sieh mich an.«
Ich wandte mich Lilliana zu, die sich stark auf etwas zu konzentrieren schien. Sie hatte die Stirn gerunzelt, ihr Gesicht war schweißüberströmt. Ihre Hand lag auf meinem Arm und zitterte vor Anspannung.
»Was ist mit dir los?« Ich schüttelte sie ab. »Ich will dich nicht beleidigen, Lil, aber ich brauche dringend mehr Platz. Du bedrängst mich, und außerdem ist es schon wieder wahnsinnig heiß hier.« Erneut ließ ich das Fenster herunter. Die kalte Abendluft erfrischte mich für einen Moment, reichte mir aber nicht aus. »Mein Gott, wie lange dauert diese Fahrt eigentlich noch?«
Die Limousine stank nach Schweiß und anderen Ausdünstungen. Hinzu kam ein unerträglicher chemischer Geruch, ein Reinigungsmittel, das von menschlichen Nasen nicht wahrgenommen wurde, mich aber fast würgen ließ.
»Wir brauchen noch etwa eine Stunde.« Lillianas Stimme klang angespannt und nervös.
»Was? Noch eine Stunde? Das schaffe ich nicht.« Ich fing an, mir meine Bluse aufzuknöpfen.
»Was tust du da?«, alarmiert riss sie die Augen auf.
»Ich fühle mich so unwohl. Außerdem sind wir hier sowieso nur … Mädchen.« Die winzigen Hornknöpfe ärgerten mich so sehr, dass ich die Bluse mit einem entschlossenen Griff aufriss.
»Abra, wenn du deine Kleider ablegst, dann …«
»Ah«, sagte ich und knöpfte schon den Rock auf. »Das fühlt sich besser an.« Ich fasste nach hinten und fummelte
am Verschluss meines BHs herum. »Könntest du das für mich öffnen?«
»Abra, du musst versuchen, das Tier in dir mehr zu beherrschen. Ich helfe dir gern, aber es wird immer schwieriger. Deine Reaktionen sind nicht mehr rein menschlich.«
»Mm«, brummte ich desinteressiert. Nachdem ich endlich meine Brüste befreit hatte, streckte ich sie zum Fenster hinaus, um die kühle Luft zu genießen. Sofort begann es um uns herum wie wild zu hupen und zu grölen.
»Abra! Komm schon, lass das und mach wieder das Fenster zu.«
»Bist du dir auch ganz sicher, dass du empathisch veranlagt bist, Lil?«
»Ja, das bin ich«, erwiderte sie und zog mich vom Fenster fort.
»Wieso zeigst du ihnen dann nicht auch deine Brüste? Es ist wahnsinnig befreiend, weißt du.«
»Fast wie dein persönliches Mardi Gras«, murmelte Lilliana genervt und warf mir die Bluse zu. »Los, zieh das wieder an!«
»He!«, brüllte ein Mann aus einem Wagen neben uns. »Schaut euch den
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