Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfslied Roman

Wolfslied Roman

Titel: Wolfslied Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
Vom Netzwerk:
signalisierten mir genau, wie ich mein Gewicht lagern musste, und obwohl ich nicht sehr weit blicken konnte, vermochte ich doch durch mein peripherisches Sehen alles, was ich wissen musste, um mich herum wahrzunehmen.
    Ich blieb an einer Lichtung oberhalb einer Straße stehen und spitzte die Ohren, um sicherzustellen, dass kein Auto in meine Richtung gerast kam. Als ich nichts hörte, machte ich einen Riesensatz, der mich fast auf die andere Straßenseite beförderte, und kletterte dort die Böschung hinauf. Über mir in den Bäumen stieß eine Eule einen Schrei aus - der Gruß eines Nachtjägers an einen Kollegen.
    Ich hielt nicht an, um mir zu überlegen, wo ich mich eigentlich befand. Ein magischer Sog drängte mich in Richtung Norden und ließ mich noch schneller laufen. Mit etwas Übung würde ich bald die ganze Nacht hindurch rennen können, ohne müde zu werden - da war ich mir sicher. Doch noch war alles recht neu für mich, so dass ich nach einer Weile meinen Rhythmus verlor. Ich hatte keine
Ahnung, wie viel Zeit vergangen war oder welche Entfernung ich zurückgelegt hatte. Aber meine Pfoten fingen allmählich an zu schmerzen.
    Ich rannte gerade ein wenig wackelig die Böschung einer weiteren Straße entlang, als ich hörte, wie vor mir ein Wagen langsamer wurde. Es war eines dieser Autos mit Streiflicht. Ein Polizeiauto, wie mir nach einem Moment einfiel. Ich hob den Kopf und erstarrte. Der Wagen hielt an, und ein Mann stieg aus. Er richtete den Strahl seiner Taschenlampe auf die Böschung, und ich spannte die Muskeln an, um davonstürzen zu können.
    »Warte!«
    Ich zögerte. Die Stimme kam mir bekannt vor und erinnerte mich an etwas Angenehmes. Ein Freund. Nicht Mitglied meines Rudels, aber auch kein Fremder. Als ich den Mann sah, fand ich seinen Anblick allerdings alles andere als vertrauenerweckend. Der Sheriff von Northside mit seiner Größe von über zwei Metern, einer Nase, die an den Schnabel eines Raubvogels erinnerte, und Augen, die unter der Krempe seines Stetson-Hutes kaum zu erkennen waren, stand regungslos wie eine Statue vor mir und versuchte die Situation einzuschätzen.
    »Du bist aus Northside.« Es war keine Frage.
    Zögernd trat ich einen Schritt auf ihn zu und wimmerte leise. Emmet - ich konnte mich sogar an seinen Namen erinnern - kniete sich hin und fasste in die Jackentasche seiner Uniform.
    »Hungrig?«
    Seine Stimme war so tief und rau, dass ich sie kaum verstehen konnte. Er hielt mir einen Streifen Dörrfleisch hin, und ich kam vorsichtig noch näher.

    »Alles in Ordnung, mein Bursche … oder bist du ein Mädchen?«
    Ich stürzte mich auf das Fleisch, und Emmet versuchte nicht, mich abzuhalten, als ich mich wieder in Sicherheit brachte und begann, den Happen zu fressen. Dann leckte ich mir das Maul.
    »Bist du Reds Mädchen?«
    Ich starrte ihn schockiert an. Wieso konnte er mich in dieser Gestalt erkennen? Emmet schob seinen Hut in den Nacken, und ich erhaschte einen Blick auf die geheimnisvollen Zeichen, die auf seiner Stirn eintätowiert waren.
    »Dachte ich mir doch.« Er schien nachzudenken und zog dann wieder seinen Hut herunter. »Ich werde dich nicht für das bestrafen, was du mit diesem Jungen gemacht hast.«
    Ich knurrte und wich zurück.
    »Ich habe über Funk von dem Angriff eines Wolfs gehört«, fuhr er fort, als hätte er mein Verhalten gar nicht bemerkt. »Und da dachte ich mir, dass das wohl Magda oder dein Ex gewesen sein müssen.«
    Wieder knurrte ich. Es fiel mir schwer, meine Reaktionen in Einklang mit dem zu bringen, was ich empfand. Einerseits hätte ich Emmets große raue Arbeiterhände am liebsten geleckt, und andererseits wollte ich mich ins Gebüsch stürzen, um auf und davon zu rennen.
    »Aber wenn du jemanden gebissen hast, dann ist das aus Notwehr geschehen.«
    Etwas an der Intonation des Sheriffs klang nicht ganz richtig, fast so, als wäre Englisch nicht seine Muttersprache. Es war weniger ein Akzent, als vielmehr etwas anderes, etwas Undefinierbares. Er fasste wieder in seine Tasche und zog einen weiteren Streifen Dörrfleisch heraus. Als ich
ihn mir holte, merkte ich, dass ich nicht länger ganz und gar ein Wolf war. Vielleicht hatte ich ja von Anfang an nicht gänzlich die Wolfsgestalt angenommen, denn mein menschliches Bewusstsein hatte ich diesmal nicht so ausschließlich abgelegt, wie das früher der Fall gewesen war. Lag das an der Tatsache, dass noch nicht Vollmond war, oder an etwas anderem?
    »Möchtest du etwas trinken?«
    Emmet reichte

Weitere Kostenlose Bücher