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Wolfslied Roman

Wolfslied Roman

Titel: Wolfslied Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
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mir eine Flasche mit eisblauer Gatorade, die ich mit meinen halb zurückverwandelten Händen nahm und auf einen Satz leer trank. Ich hatte das Getränk noch nie zuvor probiert, und sein Geschmack überraschte mich - bitter und süß zugleich und so kalt, dass es mir den Rachen betäubte. Als sich die Kälte der Flüssigkeit in meinen erhitzten Gliedern ausbreitete, begann ich mich schon ruhiger, klarer und auch wieder menschlicher zu fühlen. Vielleicht war es gar nicht Gatorade. Vielleicht trug der Sheriff von Northside einen Zaubertrank mit sich herum, so wie andere Sheriffs Waffen hatten.
    Die Vorstellung, eine mir unbekannte Flüssigkeit in meinem Körper zu haben, machte mich nervös. Ich gehörte nicht zu den Leuten, die lässig mal irgendeine Substanz einwerfen. Nur einmal hatte ich bisher etwas Stärkeres als Wein zu mir genommen, als ich gemeinsam mit Red einen Joint geraucht hatte. Selbst wenn es darum ging, ein Aspirin zu schlucken, überlegte ich mir normalerweise sehr genau, ob es auch wirklich nötig war.
    Red war ebenfalls kein großer Marihuana-Konsument. Er hatte es bei den Ritualen zur Sonnenwende benutzt, wobei er es draußen rauchte, um mich nicht unnötig zu benebeln. Ich wusste im Grunde noch immer nicht, warum ich mich
damals dazu hatte überreden lassen, mit Red high zu werden. Schon erstaunlich, wozu man mich überreden konnte.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte der Sheriff, klappte den Deckel der Flasche wieder zu und steckte sie in die Tasche, die ihm über der Schulter hing. »Ich habe da nichts hineingetan, falls du das befürchtest.«
    Ich nickte, um ihm zu zeigen, dass ich ihn verstanden hatte, und atmete erleichtert auf.
    »Na ja, zugegebenermaßen war da schon ein Tropfen Bitterer Beifuß drin, um dich etwas zu entspannen. Im Dörrfleisch übrigens auch.«
    Entsetzt sah ich ihn an. Bitterer Beifuß? War das nicht diese Zutat, die Absinth so gefährlich machte?
    »Das ist auch in Wermut drin, und normalerweise stirbt man an keinem Martini.« Die Miene des Sheriffs blieb ernst, aber ich merkte, dass er belustigt war. »Außerdem hast du jetzt auch keine so große Lust mehr, mich in den Arm zu beißen, nicht wahr? Bitterer Beifuß stimuliert nämlich auch das Gehirn. Dein Freund Red hat mir das beigebracht.«
    Er schien Recht zu haben. Nicht nur meine Gedanken, sondern auch meine Hände nahmen wieder mehr und mehr ihre menschliche Form an, und zwar viele Stunden, ehe ich mich normalerweise wieder zurückverwandelte. Jetzt hatte ich allerdings ein weiteres Problem: Würde ich aufhören, mich in meinen Frauenkörper zurückzuverwandeln, ehe ich mein ganzes Fell verloren hatte? Ich hatte keine große Lust, mich vor dem Sheriff nackt zu zeigen, und außerdem war es verdammt kalt.
    Als könnte er meine Gedanken lesen, nickte Emmet. »Es wird bald schneien«, sagte er. Dann bedachte er mich
mit einem Blick, als ob ich ein Mensch und kein Tier mehr wäre, und meinte freundlich: »Ich kann Sie gern nach Hause fahren, Dr. Barrow.«
    Etwas an der Art und Weise, wie er mir betont in die Augen blickte, ließ mich nach unten schauen, und ich stieß einen entsetzten Schrei aus. Hastig verschränkte ich die Arme über meinen Brüsten, die inzwischen sichtbar, wenn auch etwas haariger waren als sonst.
    »Hier.« Emmet zog seine Jacke aus und reichte sie mir. »Ziehen Sie sich das über.«
    »Danke«, erwiderte ich, was allerdings nur als ein heiseres »Wuff« herauskam. Seine Jacke reichte mir bis zu den Knien und roch nach feuchter Erde - wie Frühling mitten im Winter. Ich blickte zu ihm auf.
    »Kommen Sie«, sagte er, und ich folgte ihm gehorsam zum Wagen.
    Auf der Fahrt nach Hause betrachtete ich mich im Seitenspiegel. Ich sah aus, als würde ich in einer Freakshow auftreten, und zwar als Abra, das Wolfsmädchen. Mit einem pelzigen Finger strich ich über meinen Nasenrücken und fühlte mich dabei so gehemmt wie ein Teenager. In gewisser Weise traf der Vergleich sogar zu. Dieses Zwischenstadium kam mir wie eine neue Pubertät vor. Ich wusste nie, in welcher Variation ich mich der Welt als Nächstes präsentieren würde.
    »Machen Sie sich keine Sorgen.«
    Du hast leicht reden, dachte ich. Aber meine Schnauze war nicht dazu geeignet zu sprechen.
    »Musik gefällig?«
    Ohne die Augen von der Straße abzuwenden, öffnete der
Sheriff den oberen Teil seiner rechten Armlehne und holte eine CD heraus. Draußen hatte es zu schneien begonnen, und für einen Moment glaubte ich, wir würden durch einen

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