Wolfslied Roman
wissen.
»Aah … Mann, Frau!« Er schnitt eine Grimasse, als ich seine Wunde endlich in Ruhe ließ. »Wenn jemand etwas ohne Vorwarnung in Angriff nimmt, dann bist das ja wohl eher du.«
»Tut mir leid. Ich bin nicht an Patienten gewöhnt, die reden können.«
Hunter lächelte über meinen Scherz und zuckte dann wieder zusammen, als ich einen Kühlbeutel holte und ihm diesen auf die Bisswunde legte. Einen Moment lang verspürte ich eine Welle meiner alten Zuneigung für ihn.
»Dann hat Bruin also nicht mit dir geredet?«
»Bruin?«
»So hat er sich mir vorgestellt. Ich bin ihm nämlich auch begegnet«, erklärte ich.
Anstatt mir zu antworten, blieb Hunter regungslos liegen und schloss erneut die Augen.
»He«, sagte ich und berührte sein Gesicht. »Bist du noch da?«
»Atmen … tut weh«, murmelte er mühsam.
Ich verfluchte mich dafür, dass ich ihn nicht sofort am ganzen Körper untersucht hatte.
»Mist. Vermutlich ist mindestens eine deiner Rippen gebrochen … Komm schon, Hunter, jetzt nicht einschlafen!«
Ich wollte es nicht laut sagen, aber insgeheim fragte ich mich, ob er nicht auch innere Verletzungen davongetragen hatte. Sein Gesicht wurde grau, was nicht von dem geringen Blutverlust am Arm stammen konnte.
Scheiße. Ich hatte hier nicht die Möglichkeiten, Hunter angemessen zu versorgen. Handy besaß ich momentan auch keines, um einen Krankenwagen zu rufen, der in diesem Schneesturm aber vermutlich sowieso nicht bis zu uns durchgedrungen wäre.
Es gab also nur eine Möglichkeit.
»Wir müssen dich dazu bringen, dich zu verwandeln«, sagte ich und setzte mich auf den Boden neben ihn. Die Verwandlung vollzog sich in den Zellen, was ein rascheres Heilen mit sich brachte.
»Zu müde.«
»Ich weiß, dass du müde bist, Hunter. Aber wenn du dich nicht verwandelst, werden dich deine Verletzungen vielleicht umbringen.«
Ich zog die Decke fort und zog ihm seine Schneestiefel und Socken aus. Als ich meine Hände an seinen Jeansbund legte, zögerte ich einen Moment.
»Hunter?«
Er hatte das Bewusstsein verloren. So schnell ich konnte, riss ich die Jeans herunter, und schon lag der Mann, den ich einmal so sehr geliebt hatte, nackt vor mir. Seine Haut war feucht und wies an allen möglichen Stellen Blutergüsse auf, aber trotzdem war er noch immer ein attraktiver Mann - groß und breitschultrig und mit einer behaarteren Brust als vor zwölf Jahren im College.
»Hunter!«, rief ich und gab ihm einige leichte Klapse auf die Wangen. »Wach auf! Schau mich an!«
Mühsam öffnete er die Augen. »Abra«, flüsterte er kaum hörbar.
»Du musst dich verwandeln, Hunter. Ich befürchte, dass du dir auch innere Verletzungen zugezogen hast, die ich hier nicht behandeln kann.«
Hunter hob seinen unverletzten Arm, um mein Gesicht zu berühren, ließ ihn dann aber wieder sinken und stöhnte. »Tut mir leid, ich kann nicht.«
»Was ist es? Deine Brust? Werden die Schmerzen stärker? Hunter!«
Erneut hatte er das Bewusstsein verloren.
Mist .
Und dann erinnerte ich mich an etwas so Einfaches, dass es fast unmöglich schien, es vergessen zu haben.
Man kann sich nicht verwandeln, ohne sich in einem veränderten Zustand zu befinden. Natürlich spielten Vollmond und Nacktheit wesentliche Rollen, aber die letzte Zutat bestand aus der Befreiung von allen Hemmungen.
Gewöhnlich erfolgte die Befreiung gemeinsam mit dem Mond und der Nacktheit, doch das war nicht immer der Fall. Ich hätte gedacht, dass auch Schmerzen enthemmend wirken konnten, aber entweder waren Hunters Schmerzen zu groß oder er versuchte noch immer, nicht die Kontrolle zu verlieren.
Ich betrachtete seinen reglosen Körper und überlegte. Extreme Erregung in jeglicher Form konnte ja ebenfalls enthemmen. Aufregung, Zorn … Lust. Da es nicht sehr klug gewesen wäre, mit einem Schwerverletzten einen Streit vom Zaun zu brechen, blieb mir also nur eine Wahl.
Ich riss mir die Kleider vom Leib und legte mich nackt neben Hunter. Erregung verspürte ich nicht im Geringsten, sondern kam mir vielmehr ziemlich idiotisch vor zu versuchen, einen Bewusstlosen zu verführen. Natürlich hätte ich das auch in angekleidetem Zustand vermocht, doch manchmal konnte die Verwandlung in einen Werwolf das Gegenüber dazu animieren, sich ebenfalls zu verwandeln. Ich war mir nicht sicher, ob das Getränk mit dem Bitteren Beifuß inzwischen seine Wirkung verloren hatte. Mir blieb also nichts anderes übrig, als es auszuprobieren.
Langsam legte ich meine Hand zwischen
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