Wolfslied Roman
im Badezimmer ein und wusch mich mit kaltem Wasser und einem Waschlappen. Mehr denn je wünschte ich mir, dass wir zumindest eine Dusche hätten. Draußen vor der Tür hörte ich ein Wimmern und das Kratzen von Krallen, als Hunter bettelte, hereingelassen zu werden.
»Verschwinde«, rief ich. »Lass mich in Ruhe.«
Er wimmerte erneut, und ich betrachtete mein Spiegelbild. Mit meiner neuen Brille sah ich nicht mehr wie die Frau aus, die Hunter geliebt und mehr oder weniger alles getan hatte, um ihn zu halten.
Seltsam, wie viel ein anderes Brillengestell ausmachen konnte. Ich strich mir die Haare aus dem Gesicht und fasste sie zu einem Knoten zusammen. Jetzt wirkte ich klug und entschlossen - ganz und gar nicht wie eine Frau, die bescheuert genug war, um mit einem Mann Sex zu haben, der sie nicht einmal respektierte.
Scheiße, Scheiße, Scheiße.
Ich konnte nicht glauben, dass ich so dumm hatte sein können. Wenn man das Ganze positiv betrachtete, so bestand zumindest keine große Gefahr, dass ich schwanger wurde. Aber trotzdem …
Ich wusste nicht, was mich mehr entsetzte: die Vorstellung, dass ich mich derart hatte gehen lassen, oder der Gedanke, dass das mit meinem verfluchten Ex passiert war. Meine einzige Entschuldigung war meine Läufigkeit, was vermutlich mit starker Betrunkenheit zu vergleichen war. Allerdings gab es in meinem Fall keine zwölf Schritte, denen es zu folgen galt, um die Hormone wieder in den Griff zu kriegen.
Ich wusch mich so lange, bis ich wieder einigermaßen sauber roch. Sauber fühlen tat ich mich deshalb jedoch noch lange nicht.
Mein Gott, ich konnte es nicht fassen. Was hatte ich nur getan! Am liebsten hätte ich mich von mir selbst scheiden lassen, so angewidert war ich von meinem Verhalten.
»Abra? Alles in Ordnung bei dir?«
Na großartig. Er war also wieder in Menschengestalt. Das Einzige, was schlimmer sein musste, als seinem Gewimmer zuzuhören, war, den ganzen Vorfall mit ihm besprechen zu müssen.
Dann begriff ich: Er war wieder in Menschengestalt. Das war doch nicht möglich. Oder?
»Hunter, wieso hast du dich schon wieder zurückverwandelt?«
»Keine Ahnung. Ich habe ein Stück seltsam schmeckendes Dörrfleisch gefunden, und plötzlich stand ich wieder auf zwei Beinen da.«
Aha - die Werwolfbissen unseres Sheriffs.
»Ich nehme an, deine Wunden sind wieder mehr oder weniger verheilt?«
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. »Ja, das sind sie«, antwortete er dann.
Ich starrte auf mein unglücklich wirkendes Gesicht, das mir im Spiegel entgegenblickte. »Dann verschwinde jetzt von hier.«
Ich wartete noch ein paar Minuten und ließ mir viel Zeit beim Anziehen meiner Klamotten, die ich auf dem Weg ins Badezimmer vom Boden aufgehoben hatte. Schließlich kämmte ich mir die Haare und riss dabei an allen möglichen Knoten. Am liebsten hätte ich mir gleich alles ausgerissen. Als ich schließlich aus dem Badezimmer kam, war Hunter immer noch da. Er hatte seine Jeans wieder angezogen und betrachtete das Bücherregal auf eine Art und Weise, dass sich mir die Nackenhaare aufstellten.
»Ich dachte, du wärst schon weg.«
»Ach, ich habe mir gerade die Bücher angeschaut und dabei festgestellt, dass einige davon eigentlich mir gehören. Ich hatte mich schon gefragt, wohin der Conrad verschwunden ist. Ich wollte nämlich endlich mal wieder Herz der Finsternis lesen.«
»Nimm es dir.«
»Ach, ich glaube, ich lasse es lieber hier.« Er schenkte mir sein charmantestes und verführerischstes Lächeln. »Dann habe ich eine Ausrede, bald mal wieder zu kommen.«
Verdammt, er hatte wirklich keine Ahnung. »Entweder du nimmst es jetzt mit oder es bleibt hier.«
Hunter fing an, mit leichten Fingern mein Rückgrat entlangzuwandern und über den Bund meiner Hose zu fahren. »Vielleicht nehme ich ja auch lieber das hier mit.«
Ich ergriff seinen Daumen und verdrehte ihn auf eine Weise, die mir Red beigebracht hatte. »Hunter, ich will ganz offen sein. Was da gerade passiert ist … das war ein Fehler. Ein Fehler, den ich nicht wiederholen will. Nie
mehr.« Ich ließ seinen Daumen los und verschränkte die Arme.
»Ach, komm schon. Mach dich nicht lächerlich. Ich war zwar verletzt, aber so schlecht kann es doch auch wieder nicht gewesen sein.«
Er grinste frech, und für einen Moment sah ich den College-Jungen wieder vor mir, in den ich mich vor zwölf Jahren verliebt hatte.
»Ich meine es ernst. Und jetzt geh bitte. Ich muss den Boden putzen, ehe sich das Blut nicht
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