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Wolfsmagie (German Edition)

Wolfsmagie (German Edition)

Titel: Wolfsmagie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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stolperte über einen Körper.

5
    Kris geriet ins Straucheln, verlor das Gleichgewicht und trat auf etwas, das sich wie ein Jemand anfühlte.
    »Verzeihung!«, rief sie reflexartig.
    Ihr erster Gedanke war, dass sie ein Pärchen überrascht haben musste, das sich ans Seeufer zurückgezogen hatte, um Sterne zu gucken und zu knutschen.
    Dann dachte sie, dass derjenige, der sie ihrem Gefühl nach beobachtete, sich irgendwie einen Vorsprung verschafft und sie absichtlich aus der Balance gebracht haben könnte.
    Kris stammte aus Chicago; sie sollte es eigentlich besser wissen, als nachts allein umherzustreunen. Aber sie hatte sich von der beschaulichen Heimeligkeit des kleinen schottischen Dorfs einlullen lassen.
    Kris machte einen Satz nach hinten, rutschte auf dem feuchten Untergrund aus und stürzte auf ein Knie; dabei riss sie instinktiv die Arme hoch, nur für den Fall, dass ein schneller Schlag erfolgen oder sich zupackende Hände um ihre Kehle legen sollten.
    Stattdessen fand sie sich Aug in Aug mit einem toten Mädchen wieder.
    Kris hätte sie für schlafend gehalten, so still und friedlich waren ihre Züge, nur dass der Mond sich auf die gleiche Weise in ihren offenen Augen spiegelte wie bei dem Astloch im See. Sie spähte in die Richtung, aber was auch immer sie zuvor gesehen hatte, war verschwunden.
    »Kacke«, murmelte sie. Sie kam aus einem Land, in dem Morde an der Tagesordnung waren, trotzdem hatte sie erst den Ozean überqueren müssen, um einer Leiche zu begegnen. Nicht, dass sie sich das je gewünscht hatte, aber ausgerechnet am Loch Ness? Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit?
    Kris ließ die Arme sinken, öffnete die Fäuste und legte die Fingerspitzen an den bleichen, kühlen Hals des Mädchens, obwohl sie längst wusste, dass es tot war.
    »Manchmal hasse ich es, wenn ich recht behalte.«
    Kris hatte gehofft, das Grauen der Situation zu mildern, indem sie laut mit sich selbst sprach. Stattdessen wurde es noch um einiges schlimmer, als sie ihre Stimme durch die stille Nacht schallen hörte.
    Sie musste die Polizei verständigen, allerdings besaß sie kein Handy. Ihr Plan hatte vorgesehen, wenn nötig über ihren Laptop zu kommunizieren.
    Selbst wenn sie ein Telefon gehabt hätte, hätte Kris nicht gewusst, wie man in diesem Land Hilfe rief. Sie nahm nicht an, dass die 911 sie auch nur ein Stück weiterbringen würde.
    Kris stand auf und wischte sich, die nassen Flecken an ihren Knien ignorierend, die prickelnden Finger, mit denen sie den Hals des toten Mädchens berührt hatte, an ihrer Jeans ab.
    Sie würde nach Drumnadrochit zurücklaufen müssen. Sie schaute zu der verlassenen, kurvenreichen Straße, der dunklen Weite der Felder, dann wieder auf den Leichnam. Es widerstrebte ihr zutiefst, die junge Frau allein zu lassen. Sie sah so zerbrechlich aus, wie sie dalag. Andererseits, was konnte ihr jetzt noch zustoßen?
    »Ich komme so schnell wie möglich zurück«, versprach sie und kam sich kein bisschen albern vor, weil sie mit einer Toten redete.
    Bis sie sich umdrehte und unversehens mit jemandem zusammenstieß.
    Liam packte Kris, die von seiner Brust abprallte, sich mit den Absätzen im Gras verfing und hinzufallen drohte, gerade noch rechtzeitig an den Unterarmen. Sie klammerte sich verzweifelt an ihm fest, was ihm andere Frauen ins Gedächtnis rief, die sich auf ähnliche Weise an ihm festgeklammert hatten. In der Regel, wenn er sich über ihnen aufbäumte, in sie hineinglitt, sich mit beiden Händen neben ihren Körpern abstützte, während er ihnen gab, was er versprochen hatte.
    Die Erinnerungen, gepaart mit dem Duft von Kris’ Haar, der Wärme ihres Atems, ihrem scharfen Nachluftschnappen, durch das ihre Brüste über die Innenseiten seiner Handgelenke strichen, waren derart lebendig, dass Liam Kris beinahe wieder geküsst hätte. Dann entdeckte er, was da auf der Erde lag, und ließ sie los.
    »Was … warum …?«, stammelte Kris. »Wo kommst du her?«
    Liam hatte sie das MacLeod’s verlassen sehen und war ihr gefolgt. Wider bessere Einsicht, doch jetzt war er froh, es getan zu haben. Sie sollte nicht allein hier draußen sein, und sie sollte sich auch nicht mit dieser Sache befassen müssen.
    Liam kniete sich neben das Mädchen und legte die Finger an seinen Hals, aber es war tot. Und das schon seit einer ganzen Weile.
    »Wer bist du?«, fragte Kris.
    »Im Moment sollte es uns mehr interessieren, wer sie ist.«
    Liam kannte sie anscheinend nicht, also war sie vermutlich eine Touristin.

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