Wolfsmagie (German Edition)
Mythos nicht in der Realität wurzelt.«
»Doch, exakt das heißt es.«
»Nein.« Mandenauer schüttelte den Kopf, als hätte er es mit einer armen, geistig verwirrten Seele zu tun. »Es heißt lediglich, dass jemand andere Menschen aufs Glatteis geführt hat, und nicht, dass das Monster nicht trotzdem unentdeckt existieren könnte.«
»Ich werde beweisen, dass es das Ungeheuer von Loch Ness nicht gibt.«
»Wenn Sie das können, Feuer frei. Damit hätte ich eine Kreatur weniger auf meiner …« Er schmunzelte. »Abschussliste.«
»Ich arbeite nicht für Sie.«
»Hätten Sie Lust dazu? Ich würde Sie bezahlen. Dabei spreche ich von einem Betrag, mit dem Sie alles Mögliche bewerkstelligen könnten.«
»Wie viel?«, fragte Kris, wider besseres Wissen verlockt.
Mandenauer fasste wieder in seinen Mantel – was bewahrte er noch alles darin auf? –, zog einen schmucklosen weißen Umschlag hervor und warf ihn ihr zu.
Er war mit Hundertdollarscheinen gefüllt. Sie sahen ziemlich real aus.
»Für wen arbeiten Sie ?«
»Sie sind ein kluges Mädchen. Wenn Sie eins und eins zusammenzählen, wette ich, dass sie auf zwei kommen. Uneingeschränkte finanzielle Mittel.« Er wedelte mit seiner Pistole. »Die besten Waffen, und davon jede Menge.«
Kris konnte rechnen, und was bei ihr herauskam, war die amerikanische Regierung. Wer sonst druckte Geld wie Zeitungen, gestattete praktisch jedem den Besitz von Schusswaffen und wachte über seine Geheimnisse, als wären es die Goldreserven der US -Notenbank?
»Selbstredend würden die Machthaber niemals zugeben, dass sie eine Monsterjagd finanzieren.«
»Natürlich nicht.« Kris hob den Umschlag hoch. »Was müsste ich hierfür tun?«
»Nichts weiter, als mich laufend über alles zu informieren, was Sie entdecken.«
»Über die Nicht-Monster also. Ich kapiere nicht, inwieweit das helfen soll.«
»Ich bezahle Sie nicht dafür, die Informationen auszuwerten; ich bezahle Sie dafür, das mir zu überlassen. Ich mache diese Arbeit schon lange genug, um zu wissen, dass dort, wo Rauch ist, für gewöhnlich der Drache nicht weit sein kann.«
»Wenn es tatsächlich Drachen gäbe .«
»In dieser Gegend bezeichnet man sie als guivre – der Körper einer Schlange, der Kopf eines Drachen. Giftiger Atem. Sie fürchten sich vor nackten Menschen. Die Weibchen haben grüne Schuppen.«
Kris klappte die Kinnlade runter. »Ist das Ihr Ernst?«
Verwirrung flackerte über Mandenauers zerfurchtes Gesicht. »Warum um alles in der Welt sollte das nicht mein Ernst sein?«
Kris massierte sich die Stirn.
»Wo Gerüchte über ein Monster kreisen«, fuhr er fort, »taucht nur allzu oft auch eines auf – sei es nun menschlicher Natur oder nicht. Während Sie den Loch Ness und seinen berühmtesten Bewohner erforschen, werden Sie bestimmt auf Informationen stoßen, die mir von Nutzen sein könnten.«
»Und dann?«
»Werden Sie sie an mich weiterleiten.«
»Wie?«
»Ich werde zu Ihnen kommen.«
Diese Bemerkung verursachte Kris ein leichtes Kribbeln im Rücken. »Es wäre einfacher, wenn Sie mir Ihre Kontaktdaten geben würden.«
»Zweifellos«, stimmte er zu, nannte sie ihr jedoch nicht. »Ich muss jetzt aufbrechen. Man braucht mich …« Mandenauer machte eine Pause, dann schob er stellvertretend für ein Achselzucken eine Schulter vor. »Woanders.«
»Und die anderen Jagd …« Sie biss sich auf die Lippe und versuchte es noch mal. »Diese Sucher …«
Er seufzte, als müsste er sich mit einer leicht amüsanten, aber extrem anstrengenden Zweijährigen herumplagen. »Die Jägersucher .«
»Die meine ich. Gibt es unter ihnen niemanden, der sich für das uralte Loch-Ness-Problem interessiert?«
»Wir sind derzeit ein wenig …« Sein Blick schweifte zur Straße und wieder zurück zu Kris. »… unterbesetzt. Und die Monster vermehren sich unaufhörlich.«
»Ich glaube nicht an Monster.«
Plötzlicher Lärm von der Straße her – Stimmen, Sirenen – erregte Mandenauers Aufmerksamkeit. Scheinwerfer bohrten sich in Nebelschwaden.
»Das werden Sie noch«, versicherte er ihr.
Als Kris sich wieder zu ihm umsah, war der alte Mann verschwunden.
6
Polizeichef Alan Mac war der Erste, der auftauchte, wenn auch nicht der Einzige. Kris’ geheimnisvoller Freund, dessen Namen sie noch immer nicht kannte, schien das ganze Dorf verständigt zu haben, war aber selbst nirgendwo zu sehen.
Einige kamen mit dem Auto, andere zu Fuß, Hauptsache, sie kamen. Bald bildete sich eine dichte
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