Wolfsmagie (German Edition)
mitzuführen.
»Meinst du?«, verspottete sie sich selbst. »Dann ist das Messer auch nicht gerade die beste Entscheidung.«
Andererseits könnte sie sich, sollte man sie im Wald mit einem Messer ertappen, vielleicht herausreden und eine Gefängnisstrafe umgehen, indem sie behauptete, es zu benutzen, um Proben zu nehmen, und zwar von …
»Bäumen. Blättern. Ästen.« Alle Achtung. Neuerdings log sie wie ein Profi.
Kris ging das kurze Stück zum Tisch und zog die Schublade auf. Dann starrte sie auf die Objekte, die in ihr Blickfeld glitten.
Eine Pistole. Ein Messer.
Und ein silbernes keltisches Kreuz an einer Kette.
Liam beobachtete, wie Kris das Cottage verließ und in zügigem Tempo die Straße hinablief. Sie trug einen kleinen Rucksack und wirkte wie eine Frau auf einer Mission.
Er schlüpfte zwischen die Büsche und lief zu der Stelle, wo Alan Mac wartete.
Das Ufer auf dieser Seite der Bucht von Drumnadrochit lockte weitaus weniger Menschen an. Das Terrain war rauer, die Bäume standen dichter, deshalb konnte man den Loch Ness nicht so leicht sehen oder erreichen. Es entmutigte jeden, mit Ausnahme der geübtesten Naturburschen.
»Wir stecken in Schwierigkeiten, ist dir das klar?«
Liam gab keine Antwort auf das, was nicht wirklich eine Frage gewesen war. Er wusste, dass sie in Schwierigkeiten steckten. Er wusste nur nicht, was sie dagegen unternehmen sollten.
»Überall an diesem verdammten See verschwinden Frauen«, knurrte Alan Mac. »Vielleicht hätten wir die Sache noch ein Weilchen länger vertuschen können. Aber dann musste ausgerechnet diese Schreiberin eine Leiche finden.«
Wäre es nicht Kris gewesen, hätte ein anderer die Tote entdeckt , ging es Liam durch den Sinn.
»Du solltest dich von ihr fernhalten.«
Alan Mac fing an, sich zu wiederholen.
»Sie könnte ein Jägersucher sein.« Als Liam verächtlich schnaubte, richtete der Polizeichef den Blick auf ihn. »Sie heckt etwas aus. Und sie ist viel zu neugierig.«
Liam blickte ihn skeptisch an; Alan Mac hob die Handfläche, als wollte er jeden Einwand abblocken. »Ich weiß. Sie wurde überfallen, hat eine riesige Beule am Kopf, wäre fast im Loch gelandet, bei …« Er seufzte. »Würde sie zu Mandenauers Leuten gehören, wäre sie unverletzt, während der Angreifer, wer immer es war, seine Knochen einzeln einsammeln könnte.«
Liam nickte nachdenklich. Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen.
Der Mann raufte sich frustriert die feuerroten Haare. »Trotzdem ist da irgendetwas an ihr.«
Liam musste ihm recht geben. Er wünschte nur, er wüsste, was es war.
Plötzlich fluchte Alan Mac. Liam folgte seinem Blick zu der Stelle, wo unerwartet Kristin Daniels aufgetaucht war, in der einen Hand eine Videokamera, die sie aufs Wasser richtete.
Beide Männer gingen in Deckung.
Kris hatte sich die Kette mit dem keltischen Kreuz umgelegt und den Anhänger unter ihr Sweatshirt gesteckt. Sie wusste nicht, ob er ihr etwas nützen würde. Benötigten Amulette und dergleichen nicht den Glauben ihres Trägers, um Wirkung zu zeigen?
Sie prustete abfällig. Genau. Das Amulett würde sie beschützen. Von wegen.
Sie tastete nach dem Messer. Dass das Wirkung zeigen würde, wusste sie hundertprozentig.
Kris marschierte, vorbei an Urquhart Castle, entlang der A82, die auf der einen Seite an den Loch Ness grenzte und auf der anderen von Bäumen gesäumt wurde, in Richtung Süden. Sie begegnete keinem von Alan Macs Männern. Als sie ihr Fernglas herausholte und über die Bucht spähte, erkannte sie den Grund.
Sie waren alle dort drüben.
Nun, falls jemand etwas zu verbergen hatte, wäre hier der Ort, wo er es verbergen würde. Auf der stärker zerklüfteten und bewaldeten Seite der Bucht.
Trotzdem glaubte Kris nicht, dass sie etwas finden würden.
Sie richtete den Blick auf das trübe, sanft wogende Wasser des Sees. Warum sollte man eine Leiche an Land zurücklassen, wenn man sie einfach in den Loch Ness werfen konnte? Einige Opfer mochten angespült werden, doch das traf vermutlich auf die wenigsten zu.
Kris hob die Kamera und machte ein paar Aufnahmen vom gegenüberliegenden Ufer der Bucht. Es eignete sich perfekt als Kulisse für ihre Show, da es wesentlich bedrohlicher wirkte als diese Seite, mit den vielen Touristen, Restaurants und Burgen inklusive Cafébetrieb.
Kris bemerkte ein Flackern in der Ecke ihres Suchers und schwenkte die Kamera ein Stück. Dann senkte sie sie gerade so weit, dass sie über sie hinwegblicken konnte.
Schatten
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