Wolfsmagie (German Edition)

behauptete sie.
    Jamaica schürzte die Lippen und blickte Kris mehrere Sekunden unverwandt ins Gesicht. Sie musste etwas darin gelesen haben, das sie überzeugte, dass Kris zurechtkommen würde, denn sie nickte kurz und ließ das Thema fallen.
    »Ich sollte besser anfangen, hier aufzuräumen«, sagte sie. »Meistens herrscht hier gegen vier Hochbetrieb.«
    »Danke für den Kaffee.«
    »Gern geschehen.« Jamaica drehte sich um. Durch die Bewegung wirbelte ihr Rock ein Stück nach oben, und Kris’ Blick blieb an der Tätowierung knapp oberhalb ihres Knöchels hängen.
    »Was ist das?«, platzte sie heraus.
    Mit neugieriger Miene wandte Jamaica sich ihr zu, und Kris deutete nach unten.
    Etwas blitzte in Jamaicas Augen auf, etwas, das wie Schuldbewusstsein wirkte, doch aus welchem Grund sollte ein Tattoo eine solche Reaktion auslösen?
    Jamaica starrte auf ihre Füße, die in hässlichen, aber hoffentlich bequemen Ökosandalen steckten. »Was meinen Sie?«
    »Sie wissen, was ich meine«, sagte Kris leise. »Ist das eine Schlange?«
    Jamaica machte einen erschrockenen Satz zur Seite, und ihr Blick zuckte über den Boden. »Wo?«
    »An Ihrem Knöchel.«
    »Ach, das.« Jamaica machte eine wegwerfende Handbewegung.
    »Ja, das. Die Anzahl von Tätowierungen in dieser kleinen schottischen Ortschaft erscheint mir extrem hoch.«
    Jamaica hob den Kopf. »Wovon reden Sie?«
    »Alan Mac hat eine an seinem Bizeps.«
    »Eine Schlange?«
    »Nein.« Kris überlegte. »Zumindest glaube ich das nicht. Ich bin nicht sicher, was sie darstellt, aber bei Effy handelt es sich definitiv nicht um eine Schlange.«
    »Effy Cameron?« Jamaica lachte. »Die Olle hat nie im Leben ein Tattoo.«
    »Es ist an ihrem …« Kris gestikulierte vage in Richtung ihres Busens.
    »Und wie wollen Sie den gesehen haben?«
    »Das habe ich nicht. Besser gesagt, geschah es nicht mit Absicht.«
    »Darauf würde ich wetten.«
    »Ihr Ausschnitt klaffte auf. Passiert selbst den züchtigsten Frauen.«
    »Mmm«, murmelte Jamaica. »Bestimmt war es nur ein Bluterguss.«
    Kris ließ sich das durch den Kopf gehen. Was sie gesehen hatte, hatte tatsächlich bläulich, rundlich und irgendwie geschwollen ausgesehen. Es könnte durchaus ein Bluterguss gewesen sein.
    »Ist ihr Mann …«
    »Effy war nie verheiratet.«
    »Aber Rob …«
    »Er ist ihr Bruder. Sie wohnen schon ihr ganzes Leben zusammen in diesem Haus. Auch wenn sie sich streiten bis aufs Messer, würde er es nicht wagen, sie anzurühren. Sie würde seine Leber zum Mittagessen verspeisen.«
    Kris musste lächeln. Gut so .
    »Vermutlich ist sie hingefallen.«
    »Das behaupten sie immer.«
    »Manchmal fallen sie wirklich hin.«
    Das stimmte .
    »Alan Mac gehörte dem Highlander-Regiment der Königin an«, fuhr Jamaica fort. »Das ist ein militärischer Verband. Die Männer haben alle eine Tätowierung. Was für eine, weiß ich jedoch nicht.«
    »Und Sie?«, fragte Kris. »Waren Sie Mitglied in der jamaikanischen Division der Schlangenbeschwörer-Brigade?«
    »Nein.«
    »Aber das da ist doch eine Schlange?«
    Jamaica lupfte ihren Rock, bis ein diamantförmiger Kopf mit einem langen, nach oben gebogenen Hals zum Vorschein kam.
    »Ernten Sie damit in dieser Gegend keine dummen Kommentare?«
    Jamaica ließ den gelben Stoff fallen. Die Schlangentätowierung geriet außer Sicht. »Wie kommen Sie darauf?«
    »Hat nicht irgendein Heiliger die Schlangen aus Schottland vertrieben?« Aber wenn das zutraf, warum war Jamaica dann praktisch auf einen Stuhl gehopst, um nach Kris’ Hinweis vor der nicht existierenden Schlange zu flüchten?
    »Das war St. Patrick. In Irland. In Schottland gibt es Schlangen. Wenn auch nicht sehr viele.«
    »Und in Jamaika?«
    »Kaum. Auf den meisten Inseln findet man gar keine.«
    »Ist Irland denn keine Insel?« Angesichts von Jamaicas fragend erhobenen Brauen ergänzte Kris: »Wie konnte der heilige Patrick Schlangen vertreiben, die gar nicht da waren?«
    Jamaica schmunzelte. »Die Schlangen waren eine Metapher für das Böse.«
    »Ach so. Demnach hat er das Böse aus Irland vertrieben und allen Glückseligkeit und den Katholizismus gebracht.«
    »Das ist richtig.« Jamaica erschauderte. »Ich hasse Schlangen.«
    »Warum haben Sie dann eine an Ihrem Knöchel?«
    »Das habe ich nicht.«
    »Aber …«
    »Es ist keine Schlange.«
    »Aber Sie sagten doch …« Kris verstummte. Tatsächlich hatte Jamaica nie behauptet, dass es eine Schlange war. Sie hatte lediglich ihren Rock hochgezogen und Kris das