Wolfsmagie (German Edition)
laut. »Womit habe ich denn gedroht?«
Nessies Existenz nachzuweisen wäre gut fürs Tourismusgeschäft. Warum sollte irgendjemand das verhindern wollen?
Soweit Kris wusste, vergötterte ganz Drumnadrochit das Biest. Aber vielleicht stammte die Person, die die Legende von Nessie zerstören wollte, nicht von hier. Oder sie wollte, dass das Mysterium ein Mysterium blieb.
Kris ließ sich diesen Gedanken kurz durch den Kopf gehen. Das machte tatsächlich Sinn. Würde zweifelsfrei nachgewiesen, dass das Ungeheuer wirklich existierte, würden nicht mehr nur Touristen, sondern auch Biologen, Naturforscher und so weiter herbeiströmen. Anschließend würde die Regierung anklopfen …
Kris wusste nicht, wie die britischen Behörden arbeiteten, aber mit den amerikanischen kannte sie sich ziemlich gut aus. Sie würden Nessie einfangen und sie nach …
»Sea World verfrachten«, flüsterte Kris. Oder in dieses riesige, hallende Lagerhaus, in dem sie die Bundeslade aufbewahrten.
Darum konnte sie nachvollziehen, warum jemand das Seeungeheuer vor seiner Entdeckung würde bewahren wollen. Es machte Sinn.
Bis man die Morde hinzufügte.
Wenn man jemanden tötete, um zu verhindern, dass er die Wahrheit entdeckte, nannte man das dann nicht »Overkill«? Haha . Andererseits hatten Menschen schon aus weniger plausiblen Gründen gemordet.
Kris lief weiter, zügiger nun als zuvor. Über Mord nachzudenken, machte sie nervös. Sie wollte unbedingt das Dorf erreichen, wo andere Menschen, Polizisten, Augenzeugen wären, und das schnell.
Während sie im Laufschritt weiterhetzte, schweifte ihr Blick über die Bäume, die den Loch Ness säumten. Die Sonne schien, und alles hätte heiter und sicher wirken müssen. Nur dass zwischen diesen Bäumen Schatten lauerten, in denen sich so gut wie jeder verstecken könnte.
Ihr Blick driftete zum Wasser, wo mehrere Boote schaukelten, während die Oberfläche so undurchdringlich blieb wie die Glasscheibe in einem Verhörzimmer. Der Loch und der Wald hatten eine Menge gemeinsam.
Sie spähte zu den fernen Bergen. Auch sie waren ein Mysterium. Sie würde Liams Hilfe benötigen, um die Sache aufzuklären. Vorausgesetzt, er hatte nicht versucht, sie zu töten.
Ein hysterisches Lachen entschlüpfte ihr, als sie den Ortsrand von Drumnadrochit erreichte. Sie musste wirklich aufhören, so viel zu grübeln. Ihr drehte sich der Kopf, und langsam fühlte sie sich seekrank.
Es konnte aber auch an dem aufgewärmten Kaffee liegen. Kris blickte sehnsüchtig zu Jamaicas Café. Sie hasste aufgewärmten Kaffee. Er schwappte in ihrem Bauch umher wie abgestandenes Wasser in einem Schlagloch – inklusive der öligen Oberfläche.
» Glucker «, murmelte Kris, die Augen weiter auf das Café fixiert; dann schüttelte sie den Kopf.
Noch nicht.
Zuerst zu Alan Mac, dann zu Effy Cameron – Kris musste ihre Vermieterin darüber informieren, dass die Haustür ihres Cottages kaputt war –, danach würde es frischen Kaffee geben.
Sie spazierte in Richtung Wache. Dieses Mal stand der Polizeichef nicht vor dem Gebäude. Er arbeitete auch nicht darin.
»Er wurde nach Dochgarroch gerufen«, teilte die Frau am Schalter ihr mit. »Etwas hat sich in der Schleuse verfangen.«
»Ich wusste gar nicht, dass es in Dochgarroch einen See gibt.«
»Keine Seeschiffsschleuse, Schätzchen.« Die Rezeptionistin schmunzelte. »Wollen Sie versuchen, das fünfmal schnell hintereinander zu sagen?«
Da sie auf eine Antwort zu warten schien, schüttelte Kris den Kopf, woraufhin die Frau fortfuhr: »Es ist eine Kanalschleuse. Für die Boote dort und so.«
»Und wieso sollte das Alan Macs Problem sein?«
»Das werden wir erst erfahren, wenn er zurück ist.«
Kris bedankte sich und ging. Sie hatte das mulmige Gefühl, zu wissen, was sich in der Schleuse von Dochgarroch verfangen hatte.
Eine weitere Leiche .
Während sie zurück durchs Dorf schlenderte, hörte sie, wie jemand ihren Namen rief. Sie schaute zum Café. Eine Hand wurde aus der Tür gestreckt und winkte mit einem Becher Kaffee zum Mitnehmen. Sie hätte schwören können, Kris in dem Dampf zu lesen, der ihm entströmte.
Kris zögerte. Sie hatte nicht mit Alan Mac gesprochen, aber sie hatte es versucht. Das sollte genug sein, um sich zumindest eine Tasse von dem anständigen Zeug verdient zu haben.
Sie sah nach rechts und nach links, ließ einen Reisebus und mehrere Motorradfahrer passieren, dann kreuzte sie die Straße, nahm den dargebotenen Becher aus der ausgestreckten Hand,
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