Wolfsmagie (German Edition)
erhobenen Braue und einem Hältst-du-mich-für-dämlich-Ausdruck anstarren würde. Stattdessen guckte sie sehnsüchtig zur Tür. Auf ihrer perfekten Wange zeigte sich bereits der dunkle Schatten eines Blutergusses.
Er hatte versprochen, sie zu beschützen, doch keine Minute später hatte sie einen Fausthieb kassiert. Er hatte gesagt, dass er sie nach Hause bringen würde, trotzdem standen sie noch immer mitten im Pub, während sie blasser und blasser wurde.
»Zeit zu gehen«, verkündete er.
Ihre Blicke trafen sich, und Liams Herz machte so plötzlich und unerwartet einen Satz, dass er sich über die Brust rieb. Was war das? Eine Mischung aus Wonne und Schmerz, die ein Gefühl freudigen Kummers nach sich zog. Er hatte nie zuvor etwas Vergleichbares gespürt.
Draußen war die Nacht kühl und dunkel. Wolken hatten sich über den Himmel gewälzt, sie verdeckten den Mond und die Sterne. Liam störte das nicht. Manchmal rief der Mond ihm Dinge in Erinnerung, die er lieber vergessen wollte.
Kris legte den Arm um seine Taille und schmiegte sich an ihn. Ihre Wärme hüllte ihn ein; ihr Duft tröstete ihn. Wenn Kris abreiste, würde er sie für den Rest seines Lebens vermissen.
Wenn sie abreiste, würden die Geister zurückkommen. Sie würden ihn heimsuchen und martern. Aber nichts anderes hatte er verdient.
Liam schüttelte die plötzliche Melancholie ab. Kris war hier, an seiner Seite. Ja, sie würde abreisen, aber das war auch besser so. Denn, wenn sie bliebe …
Unvermittelt blieb er stehen, während Kris weiterlief. Sie lösten sich voneinander, und ihm war mit einem Mal so kalt, als wäre er in den Loch Ness gesprungen.
»Alles in Ordnung?« Sie reichte ihm die Hand. Liam starrte sie mehrere Sekunden an, bevor er nickte und sie ergriff.
Je weiter sie sich vom Dorf entfernten, desto finsterer wurde die Nacht. Obwohl sie nicht sprachen, war das Schweigen nicht unbehaglich. Liam war noch nie mit einer Frau zusammen gewesen, die nicht pausenlos quatschen wollte. Nicht, dass es allzu viele gewesen wären, zumindest nicht in letzter Zeit, auch wenn dieser Armleuchter Dougal Scott das Gegenteil behauptete.
Der Mann hatte ihn nie leiden können, und das Gefühl beruhte nicht erst seit diesem Abend auf Gegenseitigkeit. Dougal Scott zählte zu der Sorte Menschen, die ständig aneckten, und das nicht nur bei Liam, sondern auch bei vielen anderen.
Er warf Kris einen verstohlenen Blick zu. Sollte er auf Dougals Anspielung, er, Liam, sei der Dorfcasanova, eingehen?
Wahrscheinlich .
Doch ehe er die Chance bekam, lenkte ihn eine Bewegung in der Nähe des Sees ab. Ein Schemen pirschte sich still und heimlich von einem Baum zum nächsten. Wer immer dort lauerte, wusste, was er tat. Aber Liam kannte sich an den Gestaden des Loch Ness besser aus als jeder andere, und dieser Schatten konnte sich so unauffällig geben, wie er wollte, er gehörte nicht hierher.
Nichts ahnend schaute Kris weiter geradeaus. Warum auch nicht? Sie verfügte weder über sein Training noch über seine Erfahrung oder seine Vergangenheit. Es war reines Glück, dass sie so lange überlebt hatte.
Die Vorstellung, jemand könnte sie verfolgen, schlimmstenfalls sogar töten, bewirkte, dass ihn fröstelte und sein Herz noch schneller schlug. Sich auszumalen, wie Kris im Loch trieb, zusammen mit Nessie, ängstigte ihn mehr, als ihn irgendetwas seit einer Ewigkeit …
Nein, in Wirklichkeit hatte ihn nie etwas geängstigt. Es behagte ihm ganz und gar nicht, dass es plötzlich etwas gab, das diese Macht besaß.
Liam erwog, in den Wald zu sprinten und den Verfolger zu stellen, doch dazu müsste er Kris allein lassen, und das konnte er nicht.
Er würde sie sicher nach Hause geleiten. Sie ins Bett packen und die Tür absperren.
Die Tür. Das Schloss. Er hatte beides zertrümmert.
»Vielleicht solltest du in einem Hotel übernachten«, schlug er vor.
»Warum?«
Liam konnte ihr Gesicht kaum erkennen, so finster war es. »Deine Tür ist kaputt. Du solltest nicht im Cottage wohnen, ehe sie repariert ist.«
»Sie ist repariert. Rob fand eine Nachricht an seiner Tür. Ich dachte, dass du sie …«
»Nein.« Er war den Tag über … zu beschäftigt gewesen. Wie immer.
Liam war wegen der Nachricht nicht weiter beunruhigt, auch wenn ihm nicht einleuchtete, warum jemand, der Kris schaden wollte, Rob bitten sollte, ihre Tür zu reparieren.
Als sie vor dem Cottage standen, steckte Kris ihren neuen Schlüssel in das neue Schloss. Liam war erleichtert. Wäre die
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