Wolfsmale
beschloss jedoch, es
nicht zu versuchen. Er wollte sich ja nicht zum Narren machen, oder? Bei dem Glück, das er hatte,
würde er am Ende noch bei Chief Superintendent Pearson landen.
Nur eine freundliche Warnung. Die war bei Rebus durchaus angekommen. Er knüllte seine Liste
zusammen und warf sie ebenfalls in den Papierkorb, dann stand er auf und ging ins Hauptbüro. Er
wusste, er sollte irgendetwas tun oder zumindest so aussehen, als würde er etwas tun.
Immerhin hatten sie ihn aus vierhundert Meilen Entfernung geholt, um ihnen zu helfen. Doch er
konnte beim besten Willen keine Lücken in ihren Ermittlungen entdecken. Sie taten, was sie
konnten, aber es kam nichts dabei heraus. Er war nur ein weiterer Strohhalm, an den man sich
klammern konnte, eine weitere Hoffnung, dass der glückliche Zufall doch noch eintreten
würde.
Er betrachtete gerade die Karte an der Wand, als eine Stimme hinter ihm ertönte.
»Sir?«
Er drehte sich um und sah sich einem Mitglied des Ermittlungsteams gegenüber. »Ja?«
»Da ist jemand, der Sie sprechen möchte, Sir.«
»Mich?«
»Nun ja, Sie sind der ranghöchste Detective, der zurzeit da ist.«
Rebus dachte darüber nach. »Und wer möchte mich sprechen?«
Der Beamte sah auf den Zettel in seiner Hand. »Ein gewisser Dr. Frazer, Sir.«
Rebus dachte noch einen Augenblick nach. »Na schön«, sagte er und wandte sich wieder dem winzigen
Büro zu. »Lassen Sie mir eine Minute Zeit und schicken Sie ihn dann rein.« Er zögerte. »Ach ja,
und könnten Sie Tee bringen?«
»Ja, Sir«, sagte der Beamte. Er wartete, bis Rebus den Raum verlassen hatte, dann drehte er sich
zu den anderen um, die an ihren Schreibtischen saßen und ihn angrinsten. »Die haben vielleicht
Nerven, diese verdammten Jocks«, sagte er so laut, dass es jeder hören konnte. »Erinnert mich
dran, dass ich in die Kanne pinkele, bevor ich den Tee reinbringe.«
Es stellte sich heraus, dass Dr. Frazer eine Frau war. Und außerdem war sie attraktiv genug, dass
Rebus sich, als sie hereinkam, halb von seinem Schreibtisch erhob, um sie zu begrüßen.
»Inspector Rebus?«
»Ganz recht. Dr. Frazer, nehme ich an?«
»Ja.« Sie ließ eine Reihe perfekter Zähne aufblitzen, als Rebus sie aufforderte, Platz zu nehmen.
»Eines sollte ich allerdings gleich klar stellen.« Rebus sah ihr starr in die Augen und nickte.
Er konzentrierte sich ganz auf ihre Augen, weil er fürchtete, dass sein Blick sonst zu ihren
schlanken, gebräunten Beinen wandern würde, zu jenem Punkt, an dem drei Zentimeter über den Knien
ihr cremefarbener Rock begann, der sich um ihre Oberschenkel schmiegte. Mit einem raschen Blick
hatte er ihren Körper taxiert. Sie war groß, fast so groß wie er. Ihre Beine waren nackt und
lang, ihr Körper geschmeidig. Sie trug einen zum Rock passenden Blazer und eine schlichte weiße
Bluse, dazu eine einreihige Perlenkette. Auf ihrem Hals war eine kleine, zarte Narbe gleich über
den Perlen, und das Gesicht war gebräunt und ohne Make-up. Sie hatte ein kantiges Kinn, und die
glatten schwarzen Haare waren mit einem schwarzen Band so zusammengebunden, dass ihr eine dichte
Mähne über die eine Schulter fiel.
Sie hatte eine Aktentasche aus weichem schwarzem Leder mitgebracht, die sie jetzt auf dem Schoß
hielt. Während sie sprach, fuhr sie die ganze Zeit mit den Fingern über die Griffe.
»Ich bin keine Ärztin.« Rebus zeigte sich leicht überrascht. »Ich habe meinen Doktor an der
Philosophischen Fakultät erworben. Ich unterrichte am University College Psychologie.«
»Und Sie sind Amerikanerin«, sagte Rebus.
»Kanadierin.«
Ja, das hätte er wissen sollen. In ihrem Akzent war etwas leicht Singendes, das nur wenige
Amerikaner haben. Und sie sprach nicht ganz so näselnd wie die Touristen, die in der Princes
Street stehen blieben, um ein Foto vom Scott Monument zu machen.
»Entschuldigung«, sagte er. »Also, was kann ich für Sie tun, Dr. Frazer?«
»Nun ja, ich habe heute Morgen bereits mit jemandem telefoniert und gesagt, dass ich mich für den
Wolfsmann-Fall interessiere.«
Jetzt war Rebus alles klar. Noch eine Spinnerin, hatte man vermutlich im Einsatzraum gedacht, die
irgendwelche verrückten Ideen über den Wolfsmann hatte. Also hatten sie beschlossen, ihm einen
Streich zu spielen, und hatten einen Termin vereinbart, ohne ihm Bescheid zu sagen. Dann hatte
man Flight vorgewarnt, und der hatte sich rar gemacht. Na schön, der Spaß ging auf ihre Kosten.
Rebus hatte immer Zeit für eine
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