Wolfsmondnacht (German Edition)
etwas?«
Jeanne schüttelte den Kopf. » Non, Maman . Ich möchte jetzt schlafen. Ich bin so müde, als wäre ich ganz weit gelaufen.« In der Tat sah Jeanne erschöpft aus.
»Ich bringe dich gleich zu Bett. Doch zuvor muss ich dich waschen.« Céleste nahm das heiße Wasser vom Herd und wusch mit einem Lappen all das Blut und den Schmutz von Jeanne, die es ohne zu Murren über sich ergehen ließ. Überhaupt schien sie sich nur noch mit Mühe auf dem Stuhl halten zu können und gähnte mehrfach.
So beeilte Céleste sich. Sie versorgte Jeanne mit Stoffeinlagen und Kleidung und brachte sie zu Bett. Jeanne schlief sofort ein. Céleste verschloss Jeannes Zimmertür von innen und zog den Schlüssel ab. Aus Jeannes Truhe nahm sie Decken, die sie auf den Boden neben Jeannes Bett legte. Darauf ließ sie sich nieder, da sie ihre Tochter in dieser Nacht nicht allein lassen wollte, falls sie Albträume bekommen sollte. Die Anstrengungen und Schrecken der vergangenen Stunden forderten ihren Tribut. Céleste fiel augenblicklich in einen tiefen Schlaf.
In der gleichen Nacht in einem anderen Stück desselben Waldes zu La Serre.
Pamina erschrak. »Bleib, wo du bist und halte deine Waffen bereit«, sagte sie zu ihrem Sohn Silvain, der zehn Meter hinter stand. Er sollte nicht erblicken, was sie sah.
»Mutter? Was ist geschehen?« Seine Stimme klang besorgt. Sie atmete tief durch. Es nutzte nichts, ihm etwas vorzulügen.
»Ein totes Kind.« Pamina starrte auf die Überreste des Mädchens. Es mochte etwa zwölf Jahre alt gewesen sein. Sein Leib war übersät von Biss- und Kratzwunden. Fleisch war von ihren Armen und Beinen abgefressen. Stücke schienen herausgerissen. Sie hob den Blick, als sie Schritte neben sich vernahm.
»Ich sagte doch, du solltest nicht kommen.«
An seiner Blässe und den Ausdruck in seinen Augen erkannte sie, dass es zu spät war. Er hatte die Leiche bereits gesehen.
»Wer hat so etwas getan?« Silvains Stimme klang kratzig. Sie bemerkte, wie sich seine Hände um seine Armbrust verkrampften, als wäre diese seine einzige Rettung. Möglicherweise war sie das auch.
»Ein loup-garou , einer von uns”, sagte sie. Wozu sollte sie Silvain belügen?
»Einer von uns. Aber warum? Du sagtest doch immer, wir töten keine Menschen, weil wir zur Hälfte selbst welche sind.«
»Ich wünschte, die Menschen würden auch so denken wie wir beide.« Bitterkeit lag in ihrer Stimme.
»Wer von unserem Volk kann so etwas getan haben?«
»Ich weiß es nicht. Irgendjemand erschafft loup-garous , sehr viele davon. Ich sehe sie durch die Wälder streifen, höre sie und rieche sie. Es wäre gut möglich, dass einer von ihnen außer Kontrolle geraten ist.«
»Erschafft? Wird man nicht dazu geboren?«
»Gewiss, die Geborenen sind stärker als die Erschaffenen und ihnen nicht nur an Kraft überlegen, sondern auch an Selbstbeherrschung und darin liegt das Problem. Die Erschaffenen, wenn sie nicht geschult werden, können zu reißenden Bestien werden.«
»Wir alle haben die Bestie in uns, dennoch verlieren wir nicht die Kontrolle.«
»Meistens.« Pamina seufzte. »Ob loup-garou oder Mensch, wer dies getan hat, ist eine Bestie.« Sie räusperte sich, da ihre Stimme ihr nicht mehr zu gehorchen drohte.
»Ein gewöhnlicher Wolf kann es nicht gewesen sein?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nicht so. Ein Wolf tut so etwas nicht. Er ernährt sich, aber zerreißt nicht um des Zerstörens willen. Nur ein Wolf, der halb Mensch ist, tut dies. Wir sollten von hier fortgehen, bevor die Jäger kommen.«
Silvain nickte schweigend. Gemeinsam liefen sie nach Hause. Pamina fühlte sich die gesamte Zeit angespannt. Stets glaubte sie sich beobachtet und sah sich mehrfach um, doch bemerkte sie keine Verfolger. Silvain beäugte sie von der Seite, sagte jedoch nichts. Ihr entging nicht, dass auch er nervös wirkte, sich beständig umblickte und in die Luft schnupperte, um einen Feind rechtzeitig wahrzunehmen. Sie hätte ihm eine unbeschwertere Kindheit gewünscht.
Erleichtert erreichten sie endlich ihre Hütte. Pamina verriegelte die Tür hinter Silvain und sich. Er ließ sich auf die Holzbank in der Küche sinken und goss Wein in zwei Becher, von denen er ihr einen reichte.
»Danke«, sagte Pamina. Gierig trank sie vom Wein, als wollte sie die Qualen damit auslöschen, die in ihrem Inneren tobten. Sie spürte Tränen in ihren Augen brennen. Wie durch zerbrochenes Glas sah sie Silvains Gesicht.
»Wir können nichts dagegen tun. Gar nichts«,
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