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Wolfsmondnacht (German Edition)

Wolfsmondnacht (German Edition)

Titel: Wolfsmondnacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Lynn Morgan
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bin gleich zurück. Lasst niemanden ein und seid wachsam.« Mit diesen Worten ließ er sie im Flur stehen und betrat das Lager. Die florentinische Seide war ohnehin verdorben, so sollte sie als Charles’ Leichengewand dienen. Er blickte den Ballen an. Erst jetzt fiel ihm auf, dass die Schlitze im Stoff, die er zuerst durch ein Messer hervorgerufen geglaubt hatte, auch von den Krallen eines loup-garous stammen konnten.
    Er schnitt mit seinem Dolch, den er zusätzlich zum Langmesser trug, einige großzügige Stücke davon ab und verließ damit das Lager. Er nickte Madame Mirabeau kurz zu, als er an ihr vorüberging, und stieg die Stufen zum Keller hinab. Der dumpfe Geruch des Gewölbes war beinahe ekelerregend vom Blutgeruch durchdrungen. Normalerweise machte ihn dieser Geruch halb wahnsinnig vor Blutgier, doch nicht heute Nacht. Dennoch war er um Madame Mirabeaus Willen froh, genug getrunken zu haben an diesem Abend.
    Er ließ sich vor Charles in die Knie sinken und betrachtete ein letztes Mal den zerstörten Körper des Tieres. Tränen aus Blut rannen über sein Gesicht. Als er den loup-garou bekämpfte, hatte er keine Gelegenheit für Schmerz und Trauer gehabt, doch jetzt brach die Wunde in seinem Inneren auf. Er unterdrückte das Weinen, denn er wusste, dass er sich hemmungslos darin verlieren würde.
    Nicht jetzt , dachte er. Er weinte auf das Leichentuch, während er den Kater darin einwickelte. Blutige Tränen fielen nieder auf das darin verborgene Tier. Die letzten Tropfen wischte er mit einem Taschentuch sorgfältig von seinen Wangen. Er nahm den so eingewickelten Leichnam, um ihn die Treppe hinaufzutragen.
    »In der kleinen Kammer neben dem Hinterausgang befindet sich ein Spaten«, sagte Jean-François.
    Madame Mirabeau nickte und holte ihn. Auch eine kleine Kerze brachte sie von dort mit. »Wir werden ihm ein Licht anzünden, um seiner Seele den Weg zu leuchten.«
    Jean-François nickte. »Auf dass ihr Weg nicht so dunkel sei, wie der meine.«
     
    Jean-François wischte sich mit der Handrückseite über die Stirn und setzte dann erneut den Spaten an, um das Loch zu vergrößern. Menschliche Gebeine kamen ihm entgegen. Er schaufelte sie beiseite. Er kam sich vor wie ein Grabräuber.
    Madame Mirabeau stand fröstelnd neben ihm, die Kapuze ihres Umhangs zum Schutz vor dem Wind hochgeschlagen. Charles’ in Seide eingeschlagenen Kadaver hatten sie sorgsam zu ihren Füßen auf den Friedhofsboden gelegt. Außer ihnen befand sich niemand auf dem Cimetière des Innocents. Niemand?
    Plötzlich drehte sich der Wind und brachte den Geruch nach Wolf mit sich. Er überdeckte sogar den Verwesungsgestank, der den gesamten Friedhof durchzog. Madame Mirabeau schien nichts davon zu bemerken, doch Jean-François blickte alarmiert auf. Nichts war zu sehen, doch seine Ohren vernahmen die Schritte bereits aus der Ferne. Er zog sein Langmesser und wandte sich um.
    »Ist etwas?«, fragte Madame Mirabeau und starrte in dieselbe Richtung wie er.
    »Jemand kommt.«
    Verwirrt blickte Madame Mirabeau ihn von der Seite an. »Ich sehe niemanden.«
    Im Zwielicht erkannte er die hohe Gestalt des Monsieurs Mortemard. Dieser hielt eine schwarze Klinge an seine Seite gepresst, halb verborgen von den Falten seines Gewandes. Einem Menschen wäre es entgangen, doch nicht ihm, dem Bluttrinker. Was trieb Mortemard hier draußen mitten in der Nacht?
    » Bonsoir , was macht Ihr hier?«, fragte Monsieur Mortemard, während er näherkam. »Stets bei der Arbeit?« Ein Lächeln lag auf seinen Lippen. Der Blick seiner krähenartigen Augen wanderte zu Madame Mirabeau, die ihn endlich auch erkannte und feindselig anstarrte.
    »Dasselbe könnte ich Euch fragen.«
    »Verehrte Nachbarin, es war mir nicht bekannt, dass Ihr ebenfalls diesem Gewerbe nachgeht.«
    Madame Mirabeaus sah Mortemard verwirrt an. »Welchem Gewerbe? Wir beerdigen Monsieurs Katze. Aber dafür habt Ihr ja kein Verständnis.« Sie stemmte ihre Arme in die imposanten Hüften.
    Mortemard bedachte Jean-François mit einem anzüglichen Seitenblick, sah Madame Mirabeau an und sprach: »Es ist illegal, hier Tierkadaver zu entsorgen.«
    Madame Mirabeau reckte trotzig ihr Kinn vor. »Es ist kein Tierkadaver. Es ist Charles.«
    »Ihr gebt Euren Tieren Namen?«
    » Oui , alle meine elf Katzen haben Namen.«
    Mortemard räusperte sich, enthielt sich jedoch eines Kommentars. Stattdessen wandte er sich an Jean-François. »Monsieur«, sprach er. »Wir hören voneinander. Übermorgen?«
    Jean-François

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