Wolfsmondnacht (German Edition)
nach seinem Langmesser und rammte es dem Untier in die Seite.
»Dies ist für meine Katze«, sagte Jean-François und hackte wie ein Irrsinniger auf den jaulenden loup-garou ein. Dieser erwischte Jean-François mit einem Schlag seiner Krallen und zerfetzte seine Kleidung. Blut lief über Jean-François’ Arm und Schulter, was dessen Zorn antrieb. Doch wo andere heiß wurden vor Zorn, da wurde Jean-François umso kaltblütiger. Sein Gehirn war von eisiger Logik erfüllt. Töten!
Er rammte dem Werwolf das Messer dorthin, wo er dessen Herz vermutete, und hatte Glück, unter dem Brustbein hindurchzukommen, ohne an den Rippen abzuprallen und spürte, wie das Messerheft nachgab und immer tiefer sank. Der gewaltige Kiefer schnappte kurz vor Jean-François’ Kehle zu. Aus seiner Schnauze kam ein Heulen, das in ein Gurgeln überging. Das Untier sank zusammen in einer Pfütze seines eigenen Blutes, doch es war noch lange nicht besiegt.
Jean-François jedoch ließ nicht nach. Er griff nach dem Heft seines Messer und entriss es dem Leib des loup-garous , der sich wieder aufrichtete. Die grausige Wunde begann sich zu schließen. Die Kreatur fletschte die Zähne. Blutiger Schaum drang aus ihrem Maul.
Der loup-garou sprang vor und schlug mit seinen Klauenhänden nach ihm. Jean-François wich geschickt aus. Die Krallen schrammten mit einem schauderlichen Geräusch über die Wandverkleidung, dort, wo zuvor Jean-François gestanden hatte.
Er umfasste den Griff des Messers fester, nahm all seinen Mut zusammen und näherte sich abermals dem Wesen. Er war schneller als der loup-garou . Bevor dieser ihm die Kehle zerfetzen konnte, schlug Jean-François ihm den Kopf herunter. Er fiel vor ihm in den Staub und starrte ihn mit brechendem Blick an. Dann geschah etwas noch Grauenhafteres.
Das Wesen verwandelte sich. Die Gliedmaßen zuckten und schrumpften in sich zusammen, die Krallen verschwanden. Das Fell versank in der Haut, als sog sie es in sich auf. Ein nackter Weiberleib blieb zurück.
» Merde!«, rief Jean-François, als er die Tote vor sich erblickte. Seine Lippen bebten. Sämtliches Blut wich aus seinem Gesicht. Er spürte, wie seine Beine unter ihm nachgaben. Sein gesamtes Weltbild geriet ins Wanken. Mit jedem hätte er gerechnet, doch nicht mit ihr.
Vor ihm lag die Leiche Estelles, ihr abgetrennter Kopf war direkt vor seinen Füßen.
Jean-François war gerade in sein Haus zurückgekehrt. Estelles Leiche hatte er in der Seine versenkt. Er fühlte sich innerlich leer durch den Verrat, den er erlitten hatte. Warum hatte Estelle versucht, ihn zu töten? Warum hatte sie eine hilflose Katze geköpft? Falls sie das getan hatte und es nicht noch einen anderen Eindringling gegeben hatte. Seit wann war sie ein loup-garou ? Wie lange betrieb sie schon ihr hinterhältiges Spiel mit ihm? Daher der zunehmende Gebrauch dieses Maiglöckchenparfums – um ihren Wolfsgeruch zu maskieren.
Wenn er nur daran dachte, wie sehr er Estelle vertraut hatte, könnte er wahnsinnig werden. Er dachte an Pamina, die seine Briefe nicht erhalten hatte. All diese Briefe hatte Estelle zur Post bringen sollen. Merde! Sie hatte die Briefe unterschlagen. Schon damals hatte sie ihn betrogen. Wie viel sie dadurch zerstört hatte! Womöglich läge Pamina jetzt in seinen Armen, hätte sie seine Briefe damals erhalten. Estelle war ihm wie eine Mutter gewesen, was ihren Verrat umso schwerwiegender machte. Er fühlte sich jämmerlich.
Es klopfte an der Tür. Jean-François griff nach seinem Messer, an dem noch immer Estelles Blut klebte. Bisher war er noch nicht dazu gekommen, es zu reinigen. Auch lagen Charles’ Überreste noch immer auf seinem Bett. Er musste sie so schnell wie möglich beseitigen, bevor die Ratten kamen. Er hatte den Kater geliebt. Er war ihm ein Gefährte gewesen, vor dem er sich nicht hatte verstellen müssen, der ihn verstanden und seine Gefühle gespürt hatte. Noch hatte er seinen Verlust nicht vollständig realisiert. Er war noch aufgekratzt vom Kampf. Wenn seine Wut sich legte, würde die Trauer kommen.
Jean-François lief die Stufen hinauf. Erneut erklang das Klopfen. Jemand stand vor der Hintertür. Ein loup-garou würde wohl kaum klopfen?.
Ich bin der große, böse Wolf, lass mich ein , dachte Jean-François. Er setzte die Talglampe auf einer kleinen Kommode im vorderen Bereich des Flures ab, trat selbst in den Schatten, sodass man das Messer nicht gleich sah, er jedoch sofort damit zustoßen konnte, falls Gefahr lauerte. Sein
Weitere Kostenlose Bücher