Wolfsmondnacht (German Edition)
totes Herz schlug ihm bis zum Hals, doch äußerlich wollte er sich dies nicht anmerken lassen.
Er öffnete die Tür und sah … nichts!
»Bonsoir!« erklang es aus der Tiefe. Jean-François erblickte Madame Mirabeau, die zwei Köpfe kleiner, aber dafür doppelt so breit wie er war. An ihren geringen Körperwuchs hatte er sich immer noch nicht gewöhnt.
Sie hielt ihm lächelnd eine Flasche Wein entgegen. Auch das noch. Er konnte doch nichts trinken. Nichts außer Blut. Warum war ihm nicht bereits zuvor aufgefallen, dass Madame Mirabeau so weiße weiche Haut am Hals hatte?
Madame Mirabeau räusperte sich, woraufhin er seinen Blick von ihrer Halsschlagader losriss.
»Ich habe erfahren, dass Ihr wieder von Eurer Geschäftsreise zurück seid, und dachte, ich komme, um Euch willkommen zu heißen.«
Jean-François lächelte gezwungen und nahm die Flasche entgegen. » Merci , Madame Mirabeau. Das ist wirklich sehr freundlich von Euch.«
»Es tut mir leid, was mit den Waren geschehen ist. Ich habe es gar nicht mitbekommen, dass jemand bei Euch eingebrochen ist, sonst hätte ich nach dem Rechten gesehen.«
Jean-François erinnerte sich, dass er ihr einen Schlüssel gegeben hatte für den Fall, dass er auf Geschäftsreise war und sie Kater Charles versorgte. Dies war nun überflüssig geworden.
» Non , Madame Mirabeau. Betretet dieses Haus nicht, gerade dann nicht, wenn Ihr den Verdacht habt, Einbrecher wären darin. Diese Leute sind höchst gefährlich.«
Sie erbleichte. »Es ist doch nicht etwas Schlimmes geschehen?«
Er zögerte kurz, was ihr nicht entging, wie er an ihrem Blick erkannte. Sie würde ohnehin früher oder später erfahren, dass Charles tot war.
»Sie haben Charles getötet.«
Madame Mirabeau erstarrte. » Mon dieu !« Sie schüttelte den Kopf. » Non , das kann nicht wahr sein! Was sind das für Menschen?«
Menschen?, fragte er sich. Veränderte der loup-garou die Menschen oder brachte er nur das Schlimmste aus ihnen hervor, das ohnehin in ihnen ruhte?
»Es tut mir leid«, sagte er.
»Ihr könnt nichts dafür. Ich weiß, dass Ihr immer gut zu ihm wart.« Verstohlen wischte sie sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
»Kommt mit in die Küche und trinkt einen Schluck.« Sanft umfasste er ihren Unterarm und führte sie hinein. Sie traten in das Licht der Talglampe auf dem Küchentisch. An dem Ausdruck in ihrem Gesicht erkannte er, dass sie erst jetzt den Zustand seiner Kleidung und das Messer in seiner Hand bemerkte.
»Was ist Euch widerfahren?«, fragte sie.
»Ich wurde angegriffen. Womöglich von derselben Person, die in meinem Lager war.« Er goss ihr Wein in einen Krug.
» Merci , Monsieur.«
Madame Mirabeau sah ihn aus tränenglitzernden Augen an. »Erst heute Morgen sah ich ihn im Garten. Er strich mir um die Beine herum. So lebendig, so warm und jetzt …« Sie brach vollends in Tränen aus. Jean-François zog sie in seine Arme. Er gab ihr sein Taschentuch. Beruhigend streichelte er ihren Rücken. Erst als ihr Weinen verebbte, entließ er sie aus seiner Umarmung.
»Ich muss mich entschuldigen für diesen Ausbruch«, sagte sie sichtlich verlegen und trank von ihrem Wein.
»Es gibt keinen Grund, Eure Gefühle zu unterdrücken.« Tatsächlich war es ungewöhnlich, dass jemand Tieren so viele Gefühle entgegenbrachte, während die meisten sie als Dinge betrachteten. Irgendwie rührte ihn dies.
Sie tupfte die letzten Tränen von ihren Wangen. Aus geschwollenen Augen sah sie ihn an. »Wo habt Ihr ihn begraben?«
»Ich habe ihn soeben erst gefunden. Er liegt noch unten.«
»Ich werde Euch helfen, ihn zu begraben.«
»Ihr wollt ihn sicherlich nicht sehen. Sie haben ihn übel zugerichtet. Ich werde ihn in ein Tuch einwickeln.« Mehr als ein Tuch würde er benötigen, damit das Blut nicht durchsickerte.
»Jetzt wo Charles nicht mehr ist, gebe ich Euch Euren Schlüssel zurück.« Sie zog den Schlüssel aus ihrer Rocktasche und hielt ihm Jean-François hin. Er zögerte kurz und nahm ihn dann entgegen. Es war besser so. Madame Mirabeau sollte nicht in Gefahr geraten. Er würde es sich nie verzeihen, sollte ihr etwas geschehen.
Monsieur Blanchard hatte einen Schlüssel zu seinem Haus. Er musste auch ihn warnen, doch zuvor hatte er noch eine unangenehme Aufgabe zu erfüllen.
»Ich werde Charles holen.« Er öffnete die Tür seines Lagers.
»Ich werde Euch helfen.« Sie machte Anstalten, ihm zu folgen, doch er winkte ab. »Bleibt hier, Madame Mirabeau.« Er reichte ihr das Langmesser. »Ich
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