Wolfspfade 6
dieses Heulen zu hören, aber als ich den Kuss unterbrach und meine Aufmerksamkeit auf das Fenster richtete, hob er mich mit einer einzigen, schwungvollen Bewegung auf den Tresen, dann zerrte er mir meine Schlafanzughose zusammen mit meinem Slip herunter, und ich vergaß alles, was in diesem Moment nicht mit uns im Raum war.
Ich thronte an der Kante der Kirschholztheke und damit mehrere Zentimeter über der Stelle, an der ich gern gewesen wäre. Zumindest dachte ich das. Als ich versuchte, nach unten zu rutschen oder ihn nach oben, wahlweise auch zum nächstbesten Tisch zu ziehen, gebot er mir mit einer Hand an meinem Oberkörper Einhalt. „Lehn dich zurück.“
Ich zögerte, allerdings nur, bis seine andere Hand zwischen meine Beine schlüpfte.
Der Tresen war lang, breit und alles andere als komfortabel für meine Wirbelsäule, aber kaum dass er den Kopf senkte, war mir alles egal.
Seine Lippen waren so geschickt wie seine Zunge; ich fühlte mich wie ein Instrument, dem eine Melodie entlockt wird, die es nie zuvor hatte spielen können.
Seine Zungenspitze fand die feste Knospe zwischen meinen Beinen. Wie konnte eine Zunge gleichzeitig hart und so weich, verführerisch und fordernd sein?
Ich bog den Nacken durch; dabei erhaschte ich in der verspiegelten Wand hinter der Theke einen Blick auf uns: sein dunkler Kopf, umrahmt von meinen Schenkeln, die im sanften Licht der fernen Straßenlaterne, das durch das Fenster hereinfiel, bleich schimmerten.
Dieses Bild war nicht weniger erotisch als die Empfindungen, und ich schrie auf, dem Höhepunkt so nah, dass ich am ganzen Körper zitterte. Er hörte auf, hob mich von der Bar und trug mich zu einem der Tische. Eine Sekunde lang fühlte ich mich wie ein Festmahl, während er von oben auf mich herabstarrte, die schwarzen Gläser seiner Brille vertraut und dennoch verstörend.
Dann entledigte er sich seiner Hose und stieß in mich hinein, dehnte sich aus, nahm von mir Besitz, füllte die Leere in mir, machte aus zwei plötzlich eins, und die Einsamkeit, die in mir wohnte, verflüchtigte sich.
Ich schlang die Beine um seine Hüften, die Arme um seinen Hals. In ein paar Stunden würde mein Rücken voller blauer Flecken sein, aber diesen geringen Preis wollte ich gern zahlen.
Er verlangsamte die Dinge, indem er seine Stöße tiefer, ausdauernder, bedachter werden ließ. Seine kundigen Hände erforschten meine Brüste, meinen Bauch, meine Nippel, als wollte er sich ihre Form und Beschaffenheit genau einprägen.
Als seine Finger zu meinem Gesicht glitten, war ich versucht, sie abzuweisen. Würde er allein durch die Berührung erkennen können, dass ich kein schönes Mädchen war? Würde es ihn stören?
Doch dann flüsterte er meinen Namen, und ich konnte ihm diesen Wunsch ebenso wenig verwehren, wie ich ihm je zuvor etwas hatte verwehren können.
Er murmelte Worte in verschiedenen Sprachen, während er sich in meinem Körper bewegte und seine Fingerspitzen über meine Wangenknochen, meine Kinnlinie und meinen Nasenrücken streichelten. Letzteres entlockte ihm ein Lächeln, und er drückte seinen Mund auf den höckerigen Knochen.
„Hat dich jemand verletzt?“, fragte er leise.
In diesem Moment wusste ich, dass er es tun würde, und zwar schlimmer als je ein anderer Mensch zuvor.
Ich versuchte, diese bizarre Vorahnung abzuschütteln. Ich war keine Frau, die an derlei Dinge glaubte.
„Nein“, erwiderte ich. „Es war ein Unfall, während eines Basketballspiels.“
Davon zu sprechen, wie ich mir die Nase gebrochen hatte, als mir während eines Rebounds ein Ellbogen in die Quere gekommen war, vertrieb den letzten Rest meiner abergläubischen Befürchtungen.
„Du bist so …“ Er brach ab, und ich verspannte mich. Wusste er, dass ich eine graue Maus war?
„Erstaunlich“, vollendete er, und ich ließ ein undamenhaftes Schnauben hören.
„Du findest das nicht?“, hakte er nach.
„Man hat mich ja schon vieles genannt“, sagte ich, „aber ‚erstaunlich‘ war bislang nicht darunter.“
„Dann sind die meisten Menschen blinder als ich.“
„Ich glaube, du siehst Dinge, die nicht da sind.“
Er neigte den Kopf zur Seite und schien mich trotz seiner allgegenwärtigen Sonnenbrille direkt anzuschauen. „Ich sehe besser, als du denkst.“
Ganz sicher hoffte ich, dass das nicht stimmte.
Nicht willens, das Gespräch fortzusetzen, begann ich, mich unter ihm zu bewegen, und seine Miene wurde so angespannt wie sein Körper.
Ich kam, seinen Namen keuchend,
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