Wolfspfade 6
könnte?“
„Die Vermieterin.“ Er deutete mit dem Daumen zu der Wohnung auf der gegenüberliegenden Seite des Flurs. „Mrs Fitzhugh.“
„Danke.“ Ich überquerte den zerfaserten, fleckigen Teppich und klopfte bei 1-D.
Ich wiederholte meine Anfrage gegenüber der hochgewachsenen, schlanken älteren Dame mit den Lockenwicklern. So was benutzte man heute wirklich noch?
„Hab sie nicht gesehen.“ Sie unterstrich die Worte mit einem lauten Plopp, dessen Quelle ein grell pinkfarbener Kaugummi war. So was kaute man heute wirklich noch?
„Sie ist seit mehreren Tagen nicht zur Arbeit erschienen. Ich mache mir Sorgen. Könnten Sie mich in ihre Wohnung lassen?“
Mrs Fitzhugh formte eine eindrucksvolle Blase, ließ sie zerplatzen und schlabberte sie mit einer gruselig bleichen Zunge zurück in ihren Mund. „Sind Sie ein Cop?“
„Privatdetektivin.“ Ich zog meinen Ausweis hervor.
Sie ließ ein langes, übertrieben genervtes Seufzen hören, holte aber trotzdem den Schlüssel und ließ mich ein. Anschließend blieb sie in der Tür stehen, während ich mich in der Wohnung umsah.
Maggie war nicht da.
Ich hatte oft genug Vermisstenfälle bearbeitet, um zu wissen, wonach ich Ausschau halten musste. Keine Anzeichen für einen Kampf. Kein Blut auf dem Teppich oder dem Kopfkissen. Alles gute Neuigkeiten.
Ihr Koffer, ihre Handtasche, ihr Geldbeutel und ihre Zahnbürste waren, wo sie sie zurückgelassen hatte. Ihr Anrufbeantworter war voll; ihr Mülleimer roch nicht gerade minzfrisch. Diese Neuigkeiten waren nicht so gut.
Ich hörte den Anrufbeantworter ab.
„Hey!“, protestierte Mrs Fitzhugh. „Das geht Sie nichts …“
Sie brach ab, als die Nachrichten begannen.
Drei aus dem Café, wo man sich wunderte, dass Maggie nicht zur Arbeit erschienen war. Eine von ihrer Mutter, die sich wunderte, dass sie sich nicht bei ihr gemeldet hatte. Zwei Anrufe, bei denen aufgelegt wurde.
„Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?“, erkundigte ich mich.
Mrs Fitzhugh sah allmählich so nervös aus, wie ich mich fühlte. „Vor zwei Tagen, als sie sich gerade auf den Weg zur Arbeit machte.“
„Sie haben sie nicht zurückkommen sehen?“
„Nein.“ Sie nagte an ihrer Lippe. „Soll ich die Polizei verständigen?“
Ich drückte ihr Maggies Schlüssel in die Hand. „Ich denke, das sollten Sie besser.“
24
Ich gab Mrs Fitzhugh meine Visitenkarte, für den Fall, dass die Polizisten mit mir würden sprechen wollen. Was sie ganz bestimmt tun würden. Im Moment war ich zu hibbelig, um auf ihr Eintreffen zu warten. Ich hatte so eine Ahnung, dass der Großteil der Cops von New Orleans immer noch nach Sullivan suchte. Maggie würde nur eine weitere vermisste Person auf einer stetig länger werdenden Liste sein. Gut möglich, dass sie nicht sofort jemanden herschickten.
Abgesehen davon hatte ich eine Theorie zu ihrem Verschwinden und das brennende Verlangen, sie auf der Stelle zu überprüfen.
Also machte ich mich auf den Weg zum Rising Moon , holte die Akte zu den Mord- und Vermisstenfällen, die Sullivan mir überlassen hatte, dann kehrte ich in das Internetcafé zurück.
„Haben Sie sie gefunden?“, wollte der Junge hinter der Theke wissen.
„Nein.“
„Scheiße“, murmelte er. „Dann muss ich morgen schon wieder arbeiten.“
Ich trug den Chai, den ich geordert hatte – mein Magen war nicht in der Verfassung für Kaffee –, zusammen mit meiner Zugangskarte zu dem Abteil, in dem mein Lieblingscomputer stand. Anschließend tippte ich die WWW-Adresse für den Mondphasenkalender ein, den ich schon einmal zurate gezogen hatte.
Ich gab die Daten, die nicht mit einem Vollmond zusammenfielen, in Verknüpfung mit der letzten Nacht ein, in der irgendjemand, einschließlich mir selbst, Maggie gesehen hatte. Die gesuchte Information wurde ausgespuckt.
„Ich hasse es, wenn ich recht behalte“, grummelte ich. Beim Großteil der Menschen, die in den letzten sechs Monaten verschwunden oder tot aufgefunden worden waren, war dies während eines Halbmonds geschehen.
Nun, diese spezielle Mondphase trat natürlich zweimal im Monat auf und dauerte mehrere Tage an. Wann genau sie begann oder endete, war, verglichen mit der einen echten Vollmondnacht, eher vage.
Hinzu kam, dass bei manchen der Opfer niemand genau sagen konnte, wann sie zum letzten Mal gesehen oder wann sie ermordet worden waren. Trotzdem war es ein zu großer Zufall, als dass ich ihn einfach ignorieren konnte.
Dumm nur, dass ich mit niemandem darüber
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