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Wolfsruf

Titel: Wolfsruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.P. Somtow
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zu. Er galoppierte so schnell, dass die anderen Mühe hatten, nicht abgehängt zu werden. Sein weißes Pferd war schneller als der Zug.
    »Er ist der berühmteste Büffeljäger der Welt, und die U. P. hat ihn eingestellt, damit er die Passagiere auf dieser Strecke unterhält.«
    Die Herde musste in Windrichtung von ihnen gestanden haben. Die Büffel unternahmen nicht einmal einen Fluchtversuch, als die Jäger auf sie zukamen. Dutzende der massigen Leiber brachen getroffen zusammen. Johnny verfolgte fassungslos das Schauspiel. Und in ihm rührte sich jemand - jemand, der die Angst riechen konnte, der das Blut rauschen hörte. Der Wind drehte sich, und plötzlich begann die Herde, in einem unrhythmischen, dumpfen Donnern loszustürmen. Und die Person in Johnny lächelte. Er flüsterte Johnny etwas ins Ohr.
    »Geh weg!«, rief Johnny. »Lass mich in Ruhe, hör auf, mit mir zu reden, ich kann mich nicht mehr denken hören!«
    »Was is’ los? Fürchtest du dich vor dem Lärm?«
    »Nein«, antwortete Johnny mühsam. Er kämpfte darum, Jonas zum Schweigen zu bringen, der jetzt die anderen im Wald aufwiegelte, einen Aufruhr anzetteln wollte, um ihn von der Lichtung zu vertreiben.
    Teddy starrte ihn unsicher an. Johnny dachte: Man sieht es
mir im Gesicht an. Niemand darf es wissen! Jonas, Jonas, geh weg, ich will heute nicht spielen!
    Die beiden Jungen legten sich auf das Dach. Teddy brüllte, um das Donnern der Hufe zu übertönen: »Willst du Kautabak?«, und zog einen Pfriem aus seiner Schürze. »Heißt Pride of Durham … der beste, und bestimmt nicht billig.« Sie kauten. Johnny war der Geschmack zuwider, aber er wusste, dass ein paar von den anderen ihn mochten, deshalb überließ er einem von ihnen die Lichtung für einen Augenblick. Das war ein Fehler. Er fühlte, wie Jonas am Waldrand lauerte und nur auf einen geeigneten Moment wartete, um einzugreifen.
    Sie lagen jetzt direkt neben der Dachluke und konnten in den Wagen sehen. Immer noch traten die Passagiere unten einander auf die Zehen und bewunderten die Büffel. Die Jäger waren nicht mehr zu sehen; sie hatten sich zurückgezogen und führten jetzt eines ihrer berühmten Kunststücke vor: mit einem Satz mitsamt dem Pferd in den Pferdewaggon zu springen.
    Jetzt sah Johnny, wie Buffalo Bill persönlich in den Waggon trat - er entdeckte sogar Speranza, die ihn anlächelte und ihm ein kleines Büchlein hinhielt, in das er sein Autogramm schreiben sollte. Es versetzte ihm einen Stich. Oder war nur Jonas eifersüchtig? Jonas wollte immer in Speranzas Nähe sein, wollte sie riechen, sie berühren, sich an ihre Brüste schmiegen - Johnny schauderte bei dem Gedanken daran.
    »Is’ das nich’ toll?«, erklärte Teddy. »Als wären wir die Herrscher der Welt. Wir können alles tun, was uns gefällt, niemand kann uns dabei erwischen, niemand kann uns sehen.« Er rollte sich auf den Bauch und lag jetzt neben Johnny; wie beiläufig legte er seinen Arm um die Schulter des jüngeren Knaben. »Bist du schon mal … du weißt schon, heiß … geworden da unten? In deiner Hose?« Seine Hand glitt tiefer. Tiefer.
    Jonas knurrte. »Leck mich!« Johnny erschrak vor Jonas’ Zorn. Er versuchte, ihn zurückzuhalten, aber Jonas war schon auf der Lichtung, trabte über den Boden.

    »He, ich will dir doch nichts tun.« Teddy schwieg ein paar Sekunden, dann fragte er: »Willst du mal meinen kleinen Johannes sehen?«
    Jonas grinste widerwärtig.
    »Ich hab gewusst, dass du nicht so vornehm bist, wie du tust.« Teddy knöpfte seine Hose auf, und Jonas blickte auf den halb erigierten Knabenpenis. »Willst du mal reiben?«
    Jonas lachte. »Du hast noch nicht einmal Haare«, knurrte er verächtlich. »Du bist ja noch ein Baby.«
    Teddy kicherte nervös; er wirkte plötzlich viel jünger. Jonas beobachtete ihn durch halb zugekniffene Augen. Er liebte den Wind. Er liebte den Geruch des Grases, gewürzt mit dem Duft nach Angst und frischem Blut. Der Zug pflügte sich weiter vor nach Westen, unbeirrbar wie ein Pfeil.
    Jonas dröhnte: »Es ist nicht die Zeit, wo ich wirklich ich selbst sein kann. Aber ich werde es dir zeigen … ich werde es dir zeigen, du dummer kleiner Junge!«
    Plötzlich lachte Teddy laut auf. »He, ich glaub’, du hast zu viel Theater gesehen. Du solltest in einer von diesen Wildwest-Shows auftreten!«
    Jonas stieß ein wildes Heulen aus. Dann begann er, sich die Kleider vom Leib zu reißen, schleuderte sie beiseite. Der Wind verfing sich in seiner Jacke und wehte sie an

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