Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wolfsruf

Titel: Wolfsruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.P. Somtow
Vom Netzwerk:
weil sein Geist auf einer langen Wanderung ist.«
    »Was ist mit dem Mann, der ihn entführt hat?«
    »Der verrückte Alte … er ist ein Wichasha wakan, eine Art Medizinmann …, er ist auf dem Weg von Winter Eyes hierher. Er muss bald eintreffen, meinen sie. Er will mit Ihrem Grafen Frieden schließen … wegen dem Jungen.« Teddy fügte hinzu: »Miss Speranza, er ist in Gefahr! Wenn dieser Claggart ihn in die Finger kriegt …«
    »Wir werden Claggart töten müssen, schätze ich«, mischte sich Scott ins Gespräch.
    Seine Stimme verriet tiefe Resignation, und Speranza wurde klar, dass er keinen Gefallen am Töten fand. Sie fragte sich, wie er wohl in die Kavallerie gekommen war. Er tat ihr leid, weil sie wusste, wie schmerzhaft die Transformation für jemanden sein konnte, der sich ihr verweigerte, und er verweigerte sich ihr bereits so lange. Wie einsam muss er sein, dachte sie; er weiß, dass er nicht mehr ganz Mensch ist, und wehrt sich doch gegen das Tier in seinem Inneren. Und sie sagte: »Sie sind ein sehr tapferer Mann, Mr Harper. Ich bewundere Sie sehr.«
    »Das weiß ich zu schätzen, Madam«, antwortete er.
    Und sie legte ihm ihre Hand auf die Schulter und fügte hinzu: »Ich glaube, Sie werden Ihr Leiden besiegen.«
    »Jedenfalls kämpfe ich. Aber das ist meine erste Vollmondnacht
in einem Dorf voller Werwölfe. Ich bin wirklich froh, dass Sie und Teddy hier sind, um mich zu beschützen.«
     
    Major Sanderson zog sich mit kaum bezähmbarer Wut zurück; Natalia musste warten, bis sich sein Zorn ein wenig gelegt hatte. »Diese Frechheit!«, tobte er. »Ein ganzes Dorf von Bettlern mitten in den Bergen, das ist eine unverschämte Missachtung des Vertrages, in dem die Indianer ihre Rechte an den Black Hills abgetreten haben!«
    Dort lag tatsächlich ein Dorf; Tipis auf einer Lichtung umgaben ein Feuer, über dem Fleisch geräuchert wurde. Natalia roch die Einwohner, und sie erkannte, was für Wesen es waren. »Reißen Sie sich zusammen, Major«, zischte sie ihn an, denn der Major schien mit blankem Säbel zur Attacke übergehen zu wollen. »Das sind nicht die Indianer, die den Vertrag unterzeichnet haben … es ist ein ganz anderer Stamm … es sind Werwölfe wie wir selbst.«
    »Sobald ich zurück in Fort Cassandra bin, werde ich ein Kommando losschicken, das mit diesen Wilden aufräumt«, versprach Sanderson. »Es ist mir egal, ob sie den Vertrag unterzeichnet haben oder nicht … Indianer sind Indianer, und nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer. Da werden Sie mir sicherlich zustimmen.«
    »Ja, ja. Aber vergessen Sie nicht, dass wir wegen des Jungen hier sind, nicht, um Krieg zu führen. Noch nicht.«
     
    Gegen Abend lud Teddy seine Pistole mit Silberkugeln. Nur für alle Fälle, sagte er sich.
     
    Im Geist des Körpers jenes Jungen, der einst Johnny Kindred hieß, brannte das Baumhaus. Johnny schaute hilflos zu. Eine verkohlte Planke stürzte herab. Der Rauch biss in seinen Lungen. Draußen hörte er gehässiges Lachen; er wusste, dass Jonas Kay irgendwo da draußen war.

    Die nächste Planke. Rauch zog durch die Spalten zwischen den Brettern, Rauch wirbelte, tanzte vor seinen Augen. Johnny presste sich an die Wand neben dem Fenster, starrte gebannt auf die Flammen, bis sie an seinen Zehen leckten.
    Eine Stimme von unten. »Spring, Johnny, spring … das ist deine einzige Chance!«
    Johnny wirbelte herum, starrte aus dem Fenster. Jake winkte ihm aufgeregt zu. Johnny schrie: »Verstehst du nicht? Wir müssen alle sterben … außer dem Indianer … und dann gehört ihm der ganze Körper ganz allein …«
    »Kapierst du denn überhaupt nichts? Er kann ohne dich nicht überleben, du Idiot … er ist ein Teil von dir, und du bist ein Teil von ihm … wir alle sind ein Teil von dir! Jetzt spring!«
    »Nein!«, kreischte Johnny. Das war gelogen! Er war kein Teil von jemand anderem! Es war ein Trick, sie wollten ihn überwältigen und in die ewige Dunkelheit jagen. Tränen stiegen ihm in die Augen. Der Rauch brannte in seinen Lungen, trocknete seine Lippen aus, ließ ihn husten. Aber als er seine Augen vor Schmerzen zusammenkniff, sah er plötzlich Speranza …
    Und sprang, ihren Namen auf den Lippen …
     
    Und Speranza, die allein vor dem Winterbild saß, glaubte, seine Stimme zu hören … aber vielleicht war es auch nur der Schrei eines wilden Tieres im Wald.
     
    Und Claggart lachte, während er das geschmolzene Silber zu neuen Folterinstrumenten schmiedete, lachte in den pfeifenden Wind

Weitere Kostenlose Bücher